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Carola Reimann
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Frage von Birgit M. •

Frage an Carola Reimann von Birgit M. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Dr. Reimann,

nach jüngsten Presseveröffentlichungen will die SPD im neuen Programm nun doch die Abschaffung des Ehegattensplittíng aufnehmen. Dass ich das für die Entwicklung der Geburtsfreudigkeit der Frauen in der Mittelschicht , die heute noch ohne Transferbezug leben können, für fatal halte, soll hier jetzt keine Rolle spielen.

Ich möchte heute einen anderen Aspekt dieser vielschichtigen Problematik ansprechen und wünsche mir eine intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Thema:
a) Die Vereinbarkeit dieses Gedankenguts mit der Kirchgelderhebung.
b) Die Vereinbarkeit dieses Gedankenguts mit der Befürwortung gesamteuropäischer Transfers

Die Erhebung des besonderen Kirchgelds in solchen Ehen, die einen nicht erwerbstätigen Partner zum Kirchenmitglied haben, knüpft ans Einkommensteilungsprinzip einer Erwerbsgemeinschaft an, das auch Ausgangspunkt des Splittingverfahrens ist. In der Ehe soll es - wie bei einem Verein, GBR o.OHG - egal sein, wer wieviel arbeitet oder besitzt - ob krank oder gesund - stark oder schwach - jedem kommt der idelle Anteil erwirtschaftender Erträge zu und der zugehörige leistungsunabhängige Anteil wird besteuert. Das paßt auch in die Wirklichkeit, weil es in den Familien viele schwache Menschen gibt. Gott sei Dank, dass sie unterhaltsfähige Ehepartner haben...Obwohl die SPD durchaus zur Zustimmung zu diesem Prinzip der Einkommensteilung auf euopäischer Ebene zwischen leistungsunterschiedlichen Kulturen neigt (Stichwort: wir sind für Eurobonds und Transferunion, die lt. IFO bis zu 45 Mrd. € Steuergelder p.a.kosten kann), will sie das in der Familienkleinzelle nicht länger akzeptieren. Da soll gefälligst jede Frau (manchmal auch Mann) zusehen, wo sie /er bleibt. Im Namen der Gleichstellung soll den faulen Weibern Feuer unterm Hintern gemacht werden, dass sie sich endlich an die AldiKasse setzen... Wie paßt dieses Solidaritätsverständnis intellektuell zueinander? Was soll aus dem Kirchgeld werden?

MfG
B. Mohr

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Mohr,

vielen Dank für Ihre Anfrage auf abgeordnetenwatch.de.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sprechen uns für eine Weiterentwicklung des Ehegattensplittings aus. Damit werden im wesentlichen zwei zentrale Zielsetzungen verfolgt. Zum einen sollen gemäß der bereits seit langem bestehenden sozialdemokratische Forderung Familien - unabhängig von einem Trauschein, von der familiären Konstellation oder von dem zugrunde gelegten Lebensmodell - gezielt gefördert werden. Darunter verstehen wir z.B. höhere Investitionen in die Bildungsinfrastruktur, also in den Ausbau von Kindertageseinrichtungen und Ganztagsschulen. Alle Kinder sollen von Anfang an gleiche Bildungschancen erhalten. Zum anderen kann so eine größere Vereinbarkeit von Familie und Beruf realisiert werden. Beide Eltern bzw. Alleinerziehende können ihrem Beruf nachgehen, ohne sich aufgrund einer mangelhaften Infrastruktur gegen diesen entscheiden zu müssen. Im jetzt vorgelegten SPD-Fortschrittsprogramm heißt es:

Auch das Ehegattensplitting muss zeitgemäß reformiert werden. Dies ist zwingend notwendig, weil diese Form der Steuererhebung angesichts der Vielfalt von Lebensentwürfen fernab der klassischen Ein-Personen-Versorger-Ehe nicht mehr zeitgemäß ist. Überfällig ist eine Weiterentwicklung, durch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gefördert wird. Gleichzeitig müssen Haushalte mit Kindern steuerlich bessergestellt werden. Denn nirgends ist der Lohnabstand von Normalarbeitnehmern zum Sozialhilfeniveau so klein wie bei Familien mit mehreren Kindern.

Außerdem wirkt sich das Ehegattensplitting am stärksten aus, wenn der Einkommensunterschied zwischen den Ehepartnern besonders hoch ist - und das unabhängig davon, ob Kinder erzogen werden oder nicht. Dies entspricht nicht unserem sozialdemokratischen Verständnis einer gerechten Steuerpolitik. Selbstverständlich muss eine Reform des jetzigen Modells verfassungskonform sein. Es ist uns Sozialdemokraten bewusst, dass ein ersatzloser Wegfall des Ehegattensplittings nicht nur verfassungsrechtliche Probleme aufwerfen würde. Es wären auch diejenigen betroffen, die sich vor langer Zeit für eine bestimmte Aufgabenteilung entschieden haben. Wörtlich steht in unserem Parteitagsbeschluss: [Wir] wollen (…) in Zukunft für Ehepartner - sofern sie nicht bereits unter der Voraussetzung des bisherigen Ehegattensplittings wesentliche Entscheidungen ihrer Lebens- und Erwerbsplanung vollzogen haben - zu einer individuellen Besteuerung beider Ehegatten übergehen, bei der selbstverständlich den bestehenden gegenseitigen Unterhaltsverpflichtungen durch entsprechende Abzugsbeträge angemessen Rechnung getragen wird.

Da es sich hierbei um Eckpunkte handelt, sind auch die Regelungen zum besonderen Kirchgeld zur Zeit Gegenstand der Debatte und müssen noch weiter ausgearbeitet werden.

Die aufgeführten familienpolitischen Gründe, die für unsere steuerpolitischen Vorhaben sprechen, sind allerdings nicht mit der sozialdemokratischen Europapolitik in Beziehung zu setzen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Carola Reimann, MdB