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Carola Reimann
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Frage von Peter B. •

Frage an Carola Reimann von Peter B. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Dr. Reimann,

ich beziehe mich auf das aktuelle FOCUS-Titelthema "Die Euro-Rebellion" (Heft Nr. 19/11). Hier wird über den sich formierenden Widerstand gegen einen permanenten Euro-Stabilisierungsmechanismus (ESM) innerhalb der Regierungsfraktionen berichtet. Der ESM würde für Deutschland kaum kalkulierbare finanzielle Risiken bringen und zudem die Rechte des Parlaments einschränken.

Gibt es vergleichbare Tendenzen auch in Ihrer Fraktion?

Wie ist Ihre persönliche Haltung? Werden Sie dem Gesetz zum ESM in jedem Fall zustimmen? Oder stellen Sie Bedingungen, wenn ja welche? Würden Sie bei gravierenden Bedenken auch entgegen Ihrer Fraktionslinie mit Nein stimmen?

Auf Ihre Antwort freue ich mich.

Mit herzlichen Grüßen aus Ihrem Wahlkreis
Dr. P. Burkert

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Burkert,

vielen Dank für Ihre Fragen auf abgeordnetenwatch.de!

Die Rettung des Euro liegt im ureigensten deutschen Interesse. Die Rückkehr zu nationalen Währungen ginge mit einer massiven Verteuerung unserer Exporte einher, denn mit der Abwertung der anderen Währungen würde die D-Mark aufgewertet. Wechselkursrisiken führten zu weniger Handel. Aber rund 60 % unserer Exporte gehen in die Eurozone. Lassen wir also die Eurozone zerbrechen, werden die deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch Arbeitsplatzabbau die Hauptleidtragenden sein. Der Schaden für Deutschland wäre kaum abzuschätzen

Die Rettung der Eurozone gibt es jedoch nicht zum Nulltarif. Aber der Zusammenbruch kostet uns weit mehr, weil er unsere Wirtschaft immens schwächen wird. Mit der Rettung der Eurozone fördern wir Wachstum in allen Ländern und sichern Beschäftigung und Wohlstand. Die EU ist jedoch mehr als ein Wirtschaftsraum: Aufbauend auf einer länderübergreifenden Vision von Frieden und Versöhnung entwickelte sich in den letzten Jahrzehnten eine starke, vielfältige und solidarische Gemeinschaft. Welche Folgen der Zusammenbruch des Euro darauf hätte, möchte sich niemand ausdenken.

Das Krisenmanagement unter der schwarz-gelben Bundesregierung hat nicht zur Eindämmung der Krise geführt. Im Gegenteil: Am Beispiel Griechenland müssen wir leidlich miterleben, dass die Schulden, die im Zuge der Finanzkrise in die Höhe geschnellt sind, weiter ansteigen. Und auch Irland und Portugal sind in Not geraten - wenn auch aus sehr unterschiedlichen Gründen.

Hinzu kommt, dass Frau Merkel und die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag mit einer äußerst fragwürdigen Rechtsauffassung schriftliche Informationen zum ESM-Vertrag vorenthalten. Dem Bundestag sind solche Dokumente nach allgemeiner Auffassung frühzeitig zu überweisen, damit dieser ausreichend Zeit hat, um im parlamentarischen Verfahren eine Stellungnahme abgeben zu können. Wir als SPD-Bundestagsfraktion sind nicht bereit, auf die Informationsrechte, die dem Bundestag zustehen, zu verzichten und werden uns ggf. weitere Schritte vorbehalten.

Nichtsdestotrotz: Die Ursachen der Krise müssen endlich beseitigt werden, ein umfassendes Gesamtkonzept ist gefragt. Zum Funktionieren einer Währungsunion müssen die Leistungsbilanzen ausgeglichen sein. Zwingend ist eine Banken- und Finanzmarktregulierung. Wir fordern die Einführung einer europäischen Finanztransaktionssteuer zur Eindämmung von Spekulationen. Mit der Rettung von unterkapitalisierten Banken durch Staatsgarantien muss Schluss sein. Wer ein hohes Risiko eingeht, muss auch dafür haften! Wir fordern einen sofortigen und massiven Zinsnachlass für Griechenland. Zinszahlungen sind eben keine Strafmaßnahmen, die den Staat geißeln sollen. Ein sozialer Stabilitäts- und Wachstumspakt ist unsere Antwort auf das konservative Wettbewerbsmodell.

Unser Ziel ist eine demokratische und soziale Wohlstandsunion. Europaweite Mindestlöhne, beispielsweise ausgerichtet an der Höhe nationaler Durchschnittseinkommen, sowie eine Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage mit einem Mindestsatz zur Vermeidung von Steuerdumping gehören dazu. Wir fordern eine vom Deutschen Bundestag und Europäischen Parlament kontrollierte Koordination der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Auch hier müssen wir mehr Demokratie wagen!

Eine endgültige Entscheidung über den Euro-Stabilisierungsmechanismus steht noch aus. Ich stehe hinter den Forderungen der SPD-Bundestagsfraktion an die Bundesregierung. Der ESM wurde in den Fraktionssitzungen ausführlich diskutiert und wird auch in den kommenden Sitzungen Thema bleiben. Wir verfolgen jetzt aufmerksam, ob die Bundesregierung unsere Forderungen aufgreift und werden dann gemeinsam als Fraktion über den Rettungsschirm entscheiden.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Carola Reimann, MdB