Frage an Carola Reimann von Michael F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Dr.Reimann
Frage:Was halten Sie vom Rausschmiss Herrn Sarrazin´s aus der Partei und aus der Bank und wie können Sie mir erklären das bei Umfragen die Äußerungen von Herrn Sarrazin im Volk Zustimmung erhalten.?
Frage:Ist unsere verfassungsmäßige Meinungsfreiheit in Gefahr ?
Frage:Können Sie das in 3 Sätzen beantworten?
Gruss
M.F.
Sehr geehrter Herr Fricke,
zunächst muss ich Ihnen mitteilen, dass ich die zwei von Ihnen gestellten Fragen, bei denen es um einen komplexen Sachverhalt geht, nicht in drei Sätzen beantworten kann.
Nach meiner Auffassung ist die im Grundgesetz verankerte Meinungsfreiheit nicht in Gefahr. Jeder Mensch kann sich selbstverständlich frei äußern, jedoch hat Herr Sarrazin eine bedeutende Funktion in der Bundesbank, somit ist er auch für die Außenwirkung dieser Institution verantwortlich. Die Bundesbank, als unabhängige Institution, hat sich entschieden, dass Herr Sarrazin im Bundesbankvorstand unter diesen Bedingungen nicht mehr tragbar ist. Diese Entscheidung respektiere ich.
Die SPD ist immer offen für eine kontroverse Debatte und begrüßt es, wenn Parteimitglieder querdenken, denn das setzt neue Impulse. Es gibt jedoch einen Wertebereich in der SPD, den es einzuhalten gilt. Diesen Bereich hat Herr Sarrazin mit seinen biologistischen Aussagen verlassen. Wenn Thilo Sarrazin Zuwanderung mit „Landnahme“ in Verbindung bringt, vor einer „Übernahme“ von Staat und Gesellschaft durch Migranten warnt und muslimischen Migranten einen „wirtschaftlichen Mehrwert“ abspricht, dann schürt er Ängste und Vorurteile und begibt sich außerhalb des Wertebereichs der Sozialdemokraten. Solange Herr Sarrazin Mitglied der SPD ist, wird die SPD zwangsläufig in Verbindung mit vielen seiner absurden Thesen gebracht. Deshalb halte ich es für angemessen, dass Herr Sarrazin aus der SPD ausgeschlossen wird.
Schon seit Jahren wird das Thema „Integration“ öffentlich diskutiert, vor allem in der SPD. Der damalige Bundespräsident Rau hat bereits am 12. Mai 2000 in seiner Rede „Ohne Angst und ohne Träumereien: Gemeinsam in Deutschland leben.“ ebenfalls ausführlich auf die Integrationsprobleme hingewiesen, ohne zu provozieren, aber auch ohne Beschönigungen.
Herr Sarrazin war somit nicht der Erste, der dieses Thema anspricht. Er hat jedoch ein komplexes Thema auf kurze, provokante Aussagen reduziert, falsche Zusammenhänge hergestellt und damit der Debatte geschadet.
Die SPD wird das Thema „Integration“ auf breiter Basis weiterhin diskutieren und dabei werden selbstverständlich auch die Missstände deutlich gemacht.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Carola Reimann, MdB