Frage an Carola Reimann von Sabine W. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Reimann,
Sie plädieren für verstärkten Nichtraucherschutz im Gastronomiebereich. Dazu einige Fragen:
Die BGN (1) hat sich mit den vom DKFZ präsentierten Zahlen (2) der 3301 Passivrauchtoten auseinandergesetzt:1/3 ist älter als 85, 1/3 Drittel älter als 75 Jahre. Halten Sie für realistisch, dass so alte, oft multimorbide Menschen aufgrund der Rauchbelastung „vorzeitig“ sterben?
Prof. Radon, die für die Gesetzliche Unfallversicherung eine Literaturauswertung (3) durchführte, beklagt die Unsicherheit der statistischen Auswertungen und erklärt letztendlich, dass von Lungenkrebs „primär einzelne, langjährig (40 Arbeitsjahre) in der Gastronomie beschäftigte Nieraucher betroffen“ sein könnten. Zu diesem Thema gibt es von der BGN keine Schätzungen (4), sondern echte Krankendaten aus der Gastronomie, die belegen, dass nicht Kellner - sondern Köche an den, dem Passivrauch zugeschriebenen Erkrankungen leiden.
In der von der Smoke Free Partnership in Auftrag gegebenen Studie (5) wird in einer Worst Case-Hochrechnung die Anzahl der Passivrauchtoten im Gastgewerbe mit 13 angegeben (Tabelle 8, Deutschland). Hier allerdings wurden Ex-Raucher (und andere Belastungen, Seite 29) nicht berücksichtigt, ebensowenig wird unterschieden, ob eine Person in der Küche (siehe BGN: belastete Köche) oder im Service arbeitet.
Weshalb ist die Politik bereit, aufgrund solch unsicherer Daten massiv in das Selbstbestimmungsrecht von Gastwirten einzugreifen und habe ich als Raucherin nicht ebenfalls das Recht, mich mit rauchenden Wirten und rauchenden Angestellten in einer Rauchergaststätte aufzuhalten? Oder als Raucher ein warmes, zubereitetes Mahl zu mir zu nehmen?
Sehen Sie es nicht Ihre Pflicht, sich gegen Diskriminierung einzusetzen, statt sie zu fördern?
1. http://tinyurl.com/StellungnahmeBGN
2. http://tinyurl.com/Passivrauchen-Bd-5
3. http://tinyurl.com/Passivrauchexposition
4. http://tinyurl.com/Erkrankungen
5. http://tinyurl.com/Smoke-Free-Partnership
Sehr geehrte Frau Weintraut,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 22.07.2010 zum Thema „Nichtraucherschutz“ bei abgeordnetenwatch.de.
Das Gutachten „Passivrauchen und Lungenkrebs - eine Frage der Epidemiologie“ der BGN vom 30. Juni 2008 ist mir bekannt. Es fand darüber eine öffentliche Auseinandersetzung mit dem DKFZ statt. Das DKFZ hat aus meiner Sicht überzeugend auf die Schwachstellen des oben genannten Gutachtens hingewiesen. Zurecht wird die fehlende Einhaltung der international wissenschaftlichen Arbeitsweise kritisiert: u.a. die unwissenschaftliche Methodik, eine unzureichende Datenbasis, die Verzerrung der Ergebnisse sowie eine falsche Zitierweise ( http://www.krebsgesellschaft.de/download/stellungnahme_dgp_dkg_dkfz_vom_14-07-08_zu_bgn_passivrauchen_und_lungenkrebs_3.pdf ). Insofern sind erhebliche Zweifel an den Aussagen der BGN angebracht.
Sie weisen darüber hinaus auf eine Studie der Smoke Free Partnership, in der Sie bei Tabelle 8 von einer „Worst Case-Hochrechnung“ sprechen. Auf Seite 43 derselben Studie wird jedoch darauf hingewiesen, dass „es sich bei den Zahlen in den Tabellen 5 bis 8 tendenziell um konservative Schätzungen“ handele (1.4 Diskussion, S.43, http://dev.ersnet.org/uploads/Document/37/WEB_CHEMIN_1555_1173100724.pdf ). Darauf weisen Sie in ihrem Schreiben leider nicht hin.
Es besteht ein allgemeiner wissenschaftlicher Konsens über die gesundheitsgefährdenden Auswirkungen des Passivrauchens. Namenhafte Institute, wie das Internationale Krebsforschungszentrum in Lyon (IARC) und das United States Department of Health and Human Services stützen diesen Konsens. Diese eindeutigen Ergebnisse sind der Grund für mein Engagement in Sachen Nichtraucherschutz. Ich beziehe mich dabei auch nicht allein auf die Schätzungen der Todesfälle durch Passivrauchen. Grund für mein Engagement sind auch zahlreiche Erkrankungen durch Passivrauchen, die nicht zum Tode führen, aber dennoch gravierende gesundheitliche Folgen haben.
Man sollte das Nichtraucherschutzgesetz meiner Meinung nach nicht als Diskriminierung der Raucher betrachten, da diesen nur das Rauchen in Gaststätten, Restaurants etc. nicht gestattet ist, und das zum Wohle der Allgemeinheit und um die Nichtraucher nicht zu beeinträchtigen. Die Raucher können dennoch alle öffentlichen Räume betreten, während Nichtraucher bei einer möglichen Gestattung des Rauchens in öffentlich Räumen, diese nicht betreten können, ohne die eigene Gesundheit zu gefährden.
Im Übrigen wird meine Ansicht auch durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Nichtraucherschutz in Gaststätten vom 30. Juli 2008 unterstützt. Das Bundesverfassungsgericht sieht in seiner Urteilsbegründung den Schutz vor Passivrauchen als „überragend wichtiges Gemeinschaftsgut“ an. Somit hat dieser Schutz verfassungsrechtlichen Vorrang vor der Berufsfreiheit der Gastwirte und der Verhaltensfreiheit der Raucher. Ich denke, dass man das auch als Raucher gut nachvollziehen kann.
Ich verstehe Ihre Sorge um die Wettbewerbsfähigkeit der Gastwirte, deshalb setze ich mich für eine bundesweit einheitliche Regelung des Nichtraucherschutzgesetzes in öffentlichen Räumen ein. Dann entstünde kein Wettbewerbsnachteil für kleine Gaststätten, die möglicherweise keinen extra Raum für Raucher anbieten könnten.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Carola Reimann, MdB