Frage an Carola Reimann von Birgit M. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Dr. Reimann,
die SPD ist gegen Kopfpauschale mit vollem Steuerausgleich für Zahlungsunfähige, weil sie angeblich sozial ungerecht sei. Das verstehe ich zwar nicht, aber man kann und muss nicht immer verstehen, wass Parteien als sozial gerecht empfinden und was sie wirklich damit meinen. Manchmal wird die Finanzierbarkeit auch in das Kleid der angeblichen sozialen Gerechtigkeit gebettet oder umgekehrt. Die Zeiten ändern sich ja.
Die SPD steht zur Zeit für "sozial gerechte" Bürgerversicherung". Ich gehe davon aus, dass dieses System nach so vielen Jahren des Streits hinsichtlich seiner sozialen Gerechtigkeit auch in der Frage der Finanzierbarkeit hinreichend durchdacht ist und dass sich soziale Gerechtigkeit nicht nur auf den Ausgleich zwischen den NICHTS Habenden und den WENIG (MÄSSIG) Habenden (ARBEITNEHMERN- Mittelverdienern) beschränkt. Sondern dass wirklich ALLE damit gemeint sind. Nicht nur diejenigen bis 45000 Bruttoeinnahmen pro Jahr, der aktuellen BMG in der GKV. Meine Fragen zum SPD Modell der "sozial gerechten" Bürgerversicherung (was nicht zwingend etwas mit Finanzierbarkeit zu tun haben muss):
Würden in die SPD-Bürgerversicherung einbezogen
1)Abgeordnete/Politiker mit allen Einnahmen (auch Nebeneinnahmen )?
2) auch von SPD bisher ausgeschlossene "arme Schweine" >55 Jahre ohne GKV-Vorversicherungszeit ?
3) alle Einkunftsarten wie Bruttoeinnahmen aus Kapitalvermögen/Bruttoeinnahmen aus Vermietung u.Verpachtung (nicht: Einkünfte!! - weil bei Arbeitnehmern auch der Bruttolohn zählt!!!!- aber man beachte, dass dies bei Kapitaleignern u. in der Immobilienwirtschaft die Rendite schmälern würde!!)?
4) kleine Selbständige (Nagelstudio/Friseuré) nach ihrem tatsächlichen (!!) Einkommen lt. Steuerbescheid? Anstatt wie bisher Mindestbeiträge in Höhe von 50% oder 100% der BMG für Einkommen zahlen zu müssen, die sie tatsächlich nicht erwirtschaften?
5) grundsätzliche alle Einnahmen ohne Beitragsbemessungsgenze?
MFG
Birgit Mohr
Sehr geehrte Frau Mohr,
vielen Dank für Ihre Frage zur Bürgerversicherung.
Das Konzept der Bürgerversicherung basiert auf Eckpunkten, die bereits 2004 vorgelegt wurden. Grundprinzip der Bürgerversicherung ist, dass alle Bürger entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zur Finanzierung unseres Gesundheitswesens beitragen. Über einen Bürgerversicherungstarif, den sowohl gesetzliche als auch private Krankenversicherungen anbieten müssten, würden beide für eine nachhaltige Finanzierung des Gesundheitswesens einbezogen werden. Zudem würden neben lohnbezogenen Beiträgen auch andere Einkommen, wie z.B. Kapitaleinkommen bei der Beitragsberechnung berücksichtigt werden. Insofern bleibt bei der Bürgerversicherung im Unterschied zum schwarz-gelben Konzept der Kopfpauschale das Solidarprinzip erhalten, da sich einerseits die Beiträge nach der individuellen Leistungsfähigkeit bestimmen und zum anderen auch andere Einkunftsarten künftig einbezogen werden sollen. Des Weiteren wollen wir - im Gegensatz zu CDU/CSU und FDP, die durch die Einfrierung des Arbeitgeberanteils dafür sorgen, dass mögliche künftige Kostensteigerungen im Gesundheitswesen allein von den Arbeitnehmern getragen werden müssen - die Arbeitgeber nicht aus der Verantwortung nehmen, sondern auch sie weiterhin an den Gesundheitskosten beteiligen.
Zur Konkretisierung des Konzeptes der Bürgerversicherung hat die SPD eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Diese wird voraussichtlich 2011 konkrete Vorschläge zum Ausgestaltung der Bürgerversicherung vorlegen. Dort und im Rahmen eines möglichen Gesetzgebungsverfahrens müssten u.a. auch die von Ihnen genannten Detailfragen geklärt werden.
Ihre Beispiele zeigen zudem die Schwächen des jetzigen Systems. Mit der Bürgerversicherung wollen wir diese Schwächen ausgleichen. Insofern bedanke ich mich für Ihre Anmerkungen, die ich der Arbeitsgruppe weiterleiten werde.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Carola Reimann MdB