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Frage von Dr. Anke K. •

Frage an Carola Reimann von Dr. Anke K. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Dr. Reimann,

gerne möchte ich Sie fragen, welche Möglichkeiten bestehen, die aktuelle Rechtsgrundlage bezüglich der Zusatzbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung sozial gerecht zu modifizieren.

Hintergrund:
Mir ist bekannt, dass auch Halbwaisen den vollen Betrag von 8 Euro an die DAK (Deutsche Angestelltenkrankenkasse) entrichten müssen, obwohl sie eine geringe Halbwaisenrente
beziehen, die 220 Euro brutto nicht überschreitet. Bezogen auf das Nettoeinkommen bedeutet der
Betrag von 8 Euro eine Kopfpauschale von rund 4 Prozent. Das ist eine erhebliche Benachteiligung für Halbwaisen, da sie zudem selbst versichert sein müssen und nicht kostenfrei über den verbleibenden Elternteil mitversichert sind. Hier muss bereits der Rententräger die Hälfte der 14,9 Prozent Krankenkassenbeitrag pro Monat tragen, die andere Hälfte trägt der Halbwaise selbst.

Auf Nachfrage bei der DAK kam die Antwort, diese Härtefälle habe man bei der Gesetzgebung nicht bedacht.

Ich bin mir sicher, dass dies kein Einzelfall ist und vom Gesetzgeber aufgegriffen werden müsste.

Über Ihre Antwort würde ich mich sehr freuen.
Mit den besten Grüßen

Dr. Anke Knopp

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Dr. Knopp,

vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Zusatzbeiträge in der gesetzlichen
Krankenversicherung.

In der Tat stellt der pauschale Betrag von acht Euro eine erhebliche Belastung insbesondere für Bezieher kleiner Einkommen dar. Zusatzbeiträge von bis zu acht Euro im Monat können ohne Rücksicht auf das Einkommen von allen Versicherten verlangt werden; der Vorbehalt von maximal einem Prozent des Einkommens greift erst dann, wenn die Versicherung höhere Zusatzbeiträge einzieht. Diese ungerechte Benachteiligung kleiner Einkommen fußt auf einem Kompromiss mit der CDU/CSU während der Zeit der großen Koalition. Während die Union eine Einkommensanpassung strikt ablehnte, ist es der SPD gelungen, eine Höchstgrenze von 1 % der beitragspflichtigen Einnahmen wenigstens für Beträge über acht Euro durchzusetzen und so noch ungerechtere Zusatzbeiträge zu verhindern.

Zwar haben wir als SPD der letzten Gesundheitsreform zugestimmt und somit auch der Möglichkeit zur Erhebung von Zusatzbeiträgen. Festzuhalten ist jedoch, dass die Zusatzbeiträge damals gegen den erklärten Willen der SPD von der Union durchgesetzt worden sind. Da die Reform ein Kompromiss zwischen der Bürgerversicherung der SPD und der Kopfpauschale der Union war, musste die SPD diese Kröte schlucken, um ihrerseits vor allem einen besseren Risikostrukturausgleich zwischen den Kassen und die Öffnung der hochspezialisierten Krankenhausambulanzen für gesetzlich krankenversicherte schwerkranke Patienten durchzusetzen.

Weil Zusatzbeiträge also Geringverdiener mehr belasten und allein von Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen aufgebracht werden müssen, wollen wir als SPD-Bundestagsfraktion diese ungerechten Zusatzbeiträge wieder abschaffen. Daher haben wir am 4. März 2010 einen Antrag in den Deutschen Bundestag eingebracht.

Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat dagegen einen ganz anderen Weg eingeschlagen: für sie sind die Zusatzbeiträge der Einstieg in die große Kopfpauschale.
Nach dem Konzept von Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) soll jeder Arbeitnehmer einen einkommensunabhängigen Beitrag für die gesetzliche Krankenversicherung zahlen. Menschen mit niedrigen Einkommen sollen über einen nicht näher definierten „Sozialausgleich“ über das Steuersystem entlastet werden. Wir sind gegen die Kopfpauschale, weil Menschen mit niedrigen Einkommen stärker belastet werden als Menschen mit hohen Einkommen. Außerdem ist diese Klientelpolitik allein zur Entlastung der Gutverdiener unfinanzierbar! Deswegen fordert die SPD eine solidarische, paritätische und zukunftsfähige Gesundheitsfinanzierung im Rahmen einer Bürgerversicherung.

In Bezug auf den von Ihnen geschilderten Fall empfiehlt sich ein Wechsel der Krankenkasse. Versicherte haben ein Sonderkündigungsrecht, wenn ihre Krankenkasse einen Zusatzbeitrag erstmals erhebt oder den Zusatzbeitrag erhöht. Die Mitgliedschaft kann in diesen Fällen auch ohne Einhaltung der grundsätzlich bestehenden 18-monatigen Bindungsfrist gekündigt werden. Auf das Sonderkündigungsrecht hat die DAK ihre Mitglieder vor kurzem in einem Schreiben hingewiesen:

§ 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V: Erhebt die Krankenkasse ab dem 01.01.2009 einen Zusatzbeitrag, erhöht sie Ihren Zusatzbeitrag oder verringert sie Ihre Prämienzahlung, kann die Mitgliedschaft abweichend von Satz 1 bis zur erstmaligen Fälligkeit der Beitragserhebung, der Beitragserhöhung oder der Prämienverringerung gekündigt werden (Hinweis: erstmalige Fälligkeit am 15.03.2010).

Eine wirksam ausgeübte Kündigung aufgrund des Sonderkündigungsrechts hat zur Folge, dass der Zusatzbeitrag bzw. der erhöhte Zusatzbeitrag vom Mitglied bis zur Beendigung der Mitgliedschaft nicht erhoben wird.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Carola Reimann MdB