Frage an Carola Reimann von Johannes W. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Reimann
kürzlich habe ich bei der Blutspende festgestellt, dass es Schwulen nicht erlaubt ist Blut zu spenden. Da ich demnächst für eine Studierendenzeitung an der Universität Freiburg einen Artikel darüber schreiben möchte, würde ich sie als Gesundheitsexpertin um die Beantwortung folgender Fragen bitten:
1. Welche medizinischen Gründe gibt es, dass Schwule nicht Blut bzw. Knochenmark spenden dürfen?
2. Empfinden Sie es als diskriminierend, dass Schwule von der Blut-, bzw. Knochenmarkspende ausgeschlossen werden. Suggeriert dieser Ausschluss nicht, dass Schwule prinzipiell ungeschützten Sex betreiben?
3. Besitzt der Gesetzgeber irgendeine Handlungsmöglichkeit gegen diesen pauschalen Ausschluss?
Mit besten Grüßen
Sehr geehrter Herr Waldschütz,
vielen Dank für Ihre Frage über abgeordnetenwatch.de.
Ich kann absolut nachvollziehen, dass der generelle Ausschluss von Schwulen bei der Blutspende als diskriminierend empfunden wird. Dieser beruht aber auf einer fachlich nachvollziehbaren Risikoabschätzung der Ärzteschaft in den Richtlinien der Bundesärztekammer. Alles andere wäre auch unter keinen Umständen akzeptabel!
Hauptgrund für den Ausschluss schwuler Männer ist das Problem des so genannten diagnostischen Fensters. Blutspenden werden heute mit modernen und sehr sensiblen Testverfahren untersucht, aber in den ersten Tagen nach einer HIV-Infektion ist der Nachweis auch mit diesen Verfahren unmöglich. Erst nach ca. 90 Tagen nach der Infektion liefern HIV-Tests sichere Ergebnisse.
Wenn man sich die epidemiologischen Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) ansieht, so zeigt sich, dass Männer, die Sex mit Männern haben, mit gegenwärtig 38.700 von 63.500 den größten Anteil an allen HIV-Infizierten in Deutschland stellen (Stand: 12/2008). Von den geschätzten 3.000 Neuinfektionen im Jahr 2008 entfielen ca. 2.650 auf Männer, davon ca. 72 Prozent auf Männer, die Sex mit Männern (MSM) haben (ca. 2.000). Damit ist unbestreitbar, dass homosexuelle Männer in Deutschland ein statistisch höheres Risiko als die Allgemeinbevölkerung haben, sich mit HIV zu infizieren.
Würde man MSM zur Blutspende zulassen, kann man statistisch gesehen mit 20-60 frisch infizierten HIV-positiven Blutspendern rechnen, da in der Regel 3 Prozent der Menschen im spendenfähigen Alter Blut spenden. Das Risiko, dass ihre Infektion aufgrund des diagnostischen Fensters nicht entdeckt wird, ist bei ihnen als frisch Infizierten besonders hoch.
Ich halte es daher für richtig, dass man an dieser Stelle zur Verhinderung der Ansteckung von Patienten Vorrang einräumt und daher eine bestimmte Gruppe von der Spende ausschließt.
Im Übrigen sind, wie die AIDS-Hilfe in einem empfehlenswerten Informationsblatt ( http://www.aidshilfe.de/media/de/09_04_DAH-Papier_MSM_Blutspende.pdf ) betont, nicht allein schwule Männer von der Blutspende ausgeschlossen, sondern auch andere Gruppen, bei denen das Risiko von Krankheitsübertragungen statistisch gesehen höher ist. Dazu würden beispielsweise auch die englische Königin und auch der deutsche Außenminister gehören, die wegen BSE und anderen Gründen von einer Blutspende in Deutschland ausgeschlossen sind. Dafür muss es sich aber immer um eine auf Daten und Fakten gestützte Präventionsmaßnahme handeln. Alles andere wäre eine nicht hinnehmbare Diskriminierung!
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Carola Reimann MdB