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Carola Reimann
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Frage von Jens K. •

Frage an Carola Reimann von Jens K. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Frau Dr. Reimann
leider hat sich die große Koalition entschlossen, die Zugangsvoraussetzungen zur dreijährigen Krankenpflegeausbildung abzusenken. Aus eigener beruflicher Perspektive und mit Vergleichsmöglichkeiten zu anderen EU-Staaten und selbst im Vergleich mit ehemaligen Ostblockstaaten ist mehr als deutlich erkennbar, daß es um die Qualität der deutschen Krankenpflegeausbildung schlecht bestellt ist. Dies ist bedauerlicherweise im deutschen Bildungssystem keine Ausnahme. Warum gibt es für die Krankenpflegeausbildung keine einheitlich, qualitativ und quanitativen Lehrpläne? Dies ist in anderen EU-Staaten und selbst im sonst rückständigen Kasachstan und oder in Rußland ein Mindeststandard, der in der öffentlichen Diskussion überhaupt nicht auftaucht. Im Bereich der Altenpflege ist das Ausbildungsniveau noch wesentlich fraglicher. Auch dies hat damit zu tun, daß die Mehrzahl der Bewerber duch enorme Bildungsdefizite für die Ausbildung schlicht ungeeignet ist.
Ist ihnen bekannt, daß ein Teil der großen privaten Krankenhausketten Personalgesellschaften gegründet haben und sich quasi ihr Pflegepersonal selbst leihen. Dabei werden schändlich geringe Éntgelte bezahlt. So kommt es in den Häusern zu seltsamen Situationen, wenn Personal mit Altverträgen mit pflegerischen "Leiharbeitern" die selbe schwere Arbeit macht, aber die Bezahlung drastische Unterschiede aufweisen. Wie sie vielleicht ahnen ist auch bei alten Tarifverträgen gesichert, daß Besserverdienende nicht aus der pflegerischen Berufsgruppe kommen.
Ist ihnen bekannt, daß die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung von examinierten Pflegekräften in einer großen Anzahl von Altenpflegeheimen - einfach beschämend sind? Gleiches gilt für die Betreuungsqualität alter Menschen in einer Reihe von Heimen. Die Kontrollen des MDK sind trotz der neuesten Veränderungen entweder unzureichend oder die Aufgabenstellung ist falsch.
Gibt es Vorstellungen, dies zu verändern?
Mit freundlichen Grüßen
Jens Kutschmann

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Kutschmann,

im Rahmen der 15. AMG-Novelle wurden gesetzliche Regelungen zur Öffnung der Alten- und Krankenpflegeausbildung für Hauptschulabsolventen beschlossen. Mit der Festlegung des Abschlusses einer zehnjährigen Schulausbildung als Zugangsvoraussetzung für eine Berufsausbildung nach dem Krankenpflegegesetz oder dem Altenpflegegesetz wird der Zugang zu diesen Berufen für mehr Interessentinnen und Interessenten als bisher geöffnet. Die Regelung ist zunächst bis zum 31.12.2017 befristet. Auf der Grundlage einer Evaluation wird der Gesetzgeber rechtzeitig vor Auslaufen darüber entscheiden, ob die Öffnung dauerhaft erfolgen soll. Mit Blick auf den durch die demographische Entwicklung schon heute absehbaren Mangel an Bewerbern für Ausbildungen in den Pflegeberufen, aber auch vor dem Hintergrund der notwendigen und gesellschaftspolitisch wünschenswerten Einbindung von Bewerbern mit Migrationshintergrund halte ich die beschlossene Öffnung letztlich für alternativlos. Die Qualität der Krankenpflege wie auch der Altenpflege, deren stetige Verbesserung vor dem Hintergrund aktueller medizinischer Entwicklungen auch mir ein zentrales Anliegen ist, wird in erster Linie durch die Inhalte und deren sachgerechte Vermittlung in der Pflegeausbildung gewährleistet. Die Form und die Inhalte der Ausbildung werden durch das Gesetz im Übrigen nicht verändert und bleiben auf gleich hohem Niveau. Die Ausbildungen sind in den Bundesländern unterschiedlich ausgestaltet. Das Bundesgesetz gibt die Rahmenbedingungen vor, die Länder füllen dieses dann mit Leben. Das ist bei allen Ausbildungsberufen der Fall, da die Kompetenz hierfür bei den Ländern liegt. Neben der Ausbildung selbst, ist auch die Motivation der Bewerber entscheidend, einen Ausbildungsberuf zu ergreifen, der bekanntlich mit hohen psychischen Belastungen und schwierigen Arbeitsbedingungen verbunden ist. Eine leichtfertige Entscheidung ungeeigneter Bewerber für diesen Berufsweg wird es daher nicht geben. Vielmehr kann aufgrund der bewussten Entscheidung für einen schwierigen Beruf eher auf eine starke Persönlichkeit des Bewerbers geschlossen werden. Ich vermag daher nicht zu erkennen, warum eine Bewerberin oder ein Bewerber mit einem erfolgreichen Hauptschulabschluss nach zehn Schuljahren nicht geeignet sein soll, die inhaltlich unverändert bleibende Kranken- oder Altenpflegeausbildung erfolgreich zu absolvieren. Ich gehe davon aus, dass Hauptschulabsolventen in der Lage sind, einen anspruchsvollen Beruf in der Alten- und Krankenpflege zu erlernen und verantwortungsvoll auszuüben. Viele der heute auch in gehobenen Positionen arbeitenden Beschäftigten in der Alten- und Krankenpflege haben seinerzeit Ihren Weg über die Hauptschule in ihren heutigen Beruf gefunden. Zudem entspricht es den Grundforderungen sozialdemokratischer Bildungspolitik, Zugangsmöglichkeiten und Durchlässigkeit der Berufsbildungsangebote sowie deren Chancen und Aufstiegsmöglichkeiten zu verbessern. Gerade die Berufe in der Alten- und Krankenpflege eröffnen den Beschäftigten durch zusätzliche Qualifizierungen und Spezialisierungen vielfältige berufliche Optionen und Lebenswege. Es ist nicht einzusehen, warum diese Optionen qualifizierten Hauptschulabsolventen, die erfolgreich die qualitativ anspruchsvolle Ausbildung in der Pflege hinter sich gebracht haben, vorenthalten bleiben sollten.

Das Problem der zu geringen Bezahlung von Pflegekräften ist mir bekannt. Deswegen haben wir auf Druck der SPD den Mindestlohn in der Pflege eingeführt. Diese Lohnuntergrenze gibt es seit Inkrafttreten des neuen Arbeitnehmer-Entsendegesetzes am 24. April 2009 auch im Bereich Altenpflege und ambulante Krankenpflege. In den kommenden Wochen wird der Mindestlohn-Ausschuss einen konkreten Betrag festlegen. Das Problem der Gründung von Personalgesellschaften und „Leiharbeitern“, das zu großen Lohnunterschieden zwischen Personen führt, die dieselbe Arbeit leisten, gäbe es nicht, wenn wir auch einen Mindestlohn in der Zeitarbeit hätten. Die Einführung eines Mindestlohns in dieser Branche ist an dem Widerstand von CDU und CSU gescheitert. Ziel der SPD bleibt ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn.

Dass es in einigen Heimen Pflegemängel gibt, entspricht leider der Tatsache. Wir wollen die Pflegequalität in den Heimen und in den ambulanten Pflegediensten stetig verbessern. Zum 1. Juli 2009 sind die neuen Prüfungen der Pflegeheime und ambulanten Pflegedienste gestartet. Mit einem Notensystem gibt es zum ersten Mal vergleichbare Ergebnisse für alle Einrichtungen. So wird in der Pflege ein großes Maß an Transparenz und Qualitätssicherung geschaffen. Zur weiteren Lektüre zu diesem Thema empfehle ich Ihnen ein Interview mit der Bundesgesundheitsministerin vom 21. Juli 2009: http://www.rp-online.de/public/article/politik/deutschland/735053/Schmidt-will-alle-Pflegeheime-kontrollieren-lassen.html Wichtig ist, dass alle die Augen offen halten und niemand vor den Problemen die Augen verschließt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Carola Reimann MdB