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Frage von Alexander S. •

Frage an Caren Marks von Alexander S. bezüglich Familie

Werte Frau Marks,

in der Online-Ausgabe der SZ werden Sie heute folgendermaßen zitiert/erwähnt:

"Das ist ein unsäglicher Vorschlag. Er ist an Ahnungslosigkeit nicht zu übertreffen", sagt die SPD-Familienexpertin Caren Marks zur SZ. Die Sozialdemokratin attestiert der Union, mit dem Vorstoß einen "familienpolitischen Offenbarungseid" zu liefern.

Das sind harte Worte - leider sind weder die SPD im allgemeinen noch Sie im speziellen mit auf Bundesebene wahrnehmbaren Alternativvorschlägen aufgefallen, die eine gerechtere Lastenverteilung zwischen Eltern und NIchteltern fördern.

Eventuell habe aber nur ich Ihre Vorschläge nicht vernommen - daher meine Frage nach Ihren Ideen/Konzepten zu einem Ausgleich der Lasten von Eltern in der Gesellschaft sowie Ihre Bemühungen, diese auch zu implementieren? Wer andere kritisiert, sollte kosntruktiv zur Debatte beitragen. Dazu möchte ich Sie hier gerne anregen.

Nur um den Antwortrahmen gleich zu Anfang zu fokussieren: Auch mir ist klar, dass es eine Reihe von Mittelflüssen gibt, die Eltern zu Gute kommen (Elterngeld, Kindergeld, beitragsfreie Mitversicherung in der GKV, diese reichen aber a) nicht annähernd aus, um auch nur einen Bruchteil der entstehenden Kosten zu decken und b) wird ein Großteil dieser Flüsse auch mit Hilfe der Abgaben von arbeitenden Eltern finanziert, so dass letztlich diese nicht zur Argumentation von Gerechtigkeit der Lastenverteilung herangezogen werden sollten.

Ich bedanke mich bereits im Voraus für Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen
Alexander Schmidt

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Schmidt,

Ihre Frage will ich gern beantworten, allerdings in dem Rahmen, den ich für erforderlich halte.

Den Vorschlag einer so genannten Demografierücklage aus den Reihen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion halte ich nach wie vor nicht nur populistisch, sondern auch für unsolidarisch und ungerecht. Er trägt auch nicht zur Stabilität der Sozialversicherungssysteme bei und geht zudem an der Lebenswirklichkeit vieler Menschen vorbei. Ich möchte Ihnen kurz erläutern, warum ich zu diesem Urteil komme und Ihnen die familienpolitischen Ansätze der SPD vorstellen.

Menschen, die - gewollt oder ungewollt - keine Kinder bekommen, für eine neue Zwangsabgabe vom Einkommen heranzuziehen, wäre ungerecht. Eine solche Abgabe würde dazu beitragen, Familien mit Kindern und Kinderlose gegeneinander auszuspielen. Dies spaltet eine Gesellschaft auf Dauer. Außerdem werden auf diese Art und Weise Kinder dazu "benutzt", einer politischen Zielvorstellung zu dienen und zum Durchbruch zu verhelfen. Dies lehne ich entschieden ab. Es entspricht meinem Verständnis einer gerechten Familienpolitik, Familien zu fördern und nicht Kinderlose zu bestrafen. Familie ist für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im übrigen überall dort, wo Menschen füreinander Verantwortung übernehmen, mit und ohne Kinder.

Wichtig ist, Familien mit Kindern, die von Armut bedroht oder betroffen sind, bedarfsgerecht zu unterstützen und Familien mit geringem und normalem Einkommen besser zu entlasten. Deshalb schlägt die SPD vor, das Steuer- und Sozialsystem gerechter auszugestalten und die Infrastruktur für Familien - insbesondere Ganztagsangebote in Kitas und Schulen, aber auch Angebote zur Stärkung der Erziehungskompetenz (z.B. aufsuchende Familienbildung, Familienzentren) - weiter auszubauen.

Um Kinder besser zu fördern, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen und Familienarmut zu reduzieren, halten wir den weiteren Ausbau der sozialen Infrastruktur für Familien für notwendig. Bedarfsgerechte und hochwertige Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder aller Altersgruppen sind unabdingbar.

Wir haben schon Vieles erreicht: Vor allem auf Initiative der SPD haben Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam in den vergangenen Jahren die Angebote an Krippen, Kitas und Horten verbessert. Zigtausende von Kita- und Ganztagsschulplätzen sind entstanden, der Bund hat sich mit mehreren Milliarden Euro an dem Ausbau beteiligt.

Insbesondere SPD-geführte Länder haben in die Qualität der frühkindlichen Bildung investiert und ein bzw. mehrere Kita-Jahre von Elternbeiträgen befreit und Familien damit entlastet. Die SPD hat in der Zeit ihrer Regierungsverantwortung den Ausbau von Ganztagsschulen vorangetrieben und dafür 4 Mrd. Euro Bundesmittel investiert. Damit haben wir einen bildungspolitischen Paradigmenwechsel eingeleitet. Aber der Bedarf an guten Kitas und Ganztagsschulen ist noch längst nicht überall in Deutschland gedeckt. Der Schwerpunkt der Bildungs- und Familienpolitik der SPD liegt vor allem darin, den Ausbau weiter zu forcieren.

Des Weiteren treten wir für ein neues und gerechteres Kindergeld ein, bei dem kleine und mittlere Einkommen in Zukunft mehr bekommen sollen. Denn der bestehende Familienleistungsausgleich ist ungerecht. Bisher werden Familien mit höherem Einkommen stärker monetär entlastet als Familien, in denen die Eltern Geringverdiener sind. Für Spitzenverdiener liegt die monatliche Entlastung fast 100 Euro über dem Kindergeld. Gleichzeitig gelingt es im vorherrschenden System nicht, materielle Kinderarmut wirksam zu bekämpfen. Kinder sind heute immer noch ein Armutsrisiko für viele Familien. Wir wollen deshalb den Familienleistungsausgleich vom Kopf auf die Füße stellen. Wir wollen, dass diejenigen mehr bekommen, die weniger verdienen.

Zu einer gerechten Familienpolitik gehört für die SPD daher auch die Reform des Ehegattensplittings. Das Ehegattensplitting fördert die Ehe unabhängig davon, ob Kinder vorhanden sind. Es ist ungerecht in seiner Verteilungswirkung, da der Splittingvorteil um so höher ist, je größer der Einkommensunterschied ist. Vorteile hat vor allem die Alleinverdienerehe, die Erwerbsanreize für Frauen werden gemindert. Das ist gleichstellungspolitisch rückwärtsgewandt. Daher wollen wir das Ehegattensplitting und die Steuerklassen so verändern, dass die Familienförderung Vorrang vor der Eheförderung bekommt. Die Steuerlast muss zwischen den Partnern gerecht verteilt werden. Anstelle des Ehegattensplittings soll eine Individualbesteuerung von Ehegatten eingeführt werden. Das soll aus Gründen des Vertrauensschutzes ab einem Stichtag nur für künftige Ehen gelten. Gegenseitige Unterhaltverpflichtungen werden steuerlich berücksichtigt.

Im Übrigen gehört für uns auch die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns zwingend zu einer gerechten Familienpolitik dazu, denn ein solcher Schritt würde die Einkommenssituation zahlreicher Familien verbessern.

Wie unser familienpolitisches Konzept im Detail aussieht, können Sie in dem am 5. Dezember 2011 auf dem SPD-Bundesparteitag in Berlin beschlossenen Leitantrag "Familienland Deutschland" nachlesen, den ich anliegend beifüge. Wir haben auf Grundlage der darin gemachten Vorschläge bereits parlamentarische Initiativen in den Bundestag eingebracht, die aber mit der Mehrheit von CDU/CSU und FDP abgelehnt wurden.

Erlauben Sie mir abschließend noch die Bemerkung, dass bereits das bestehende Steuer- und Sozialsystem Familien umfangreich fördert und unterstützt. Familien mit Kindern bekommen ein "Mehr" an Leistungen, das Singles oder Paare ohne Kinder nicht bekommen. Übrigens hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) 2006 insgesamt 157 ehe- und familienbezogene Maßnahmen mit einem Finanzvolumen von rund 187 Mrd. Euro identifiziert.

Beispielsweise darf das steuerrechtliche Existenzminimum von Kindern nicht besteuert werden. Die Kindererziehung wird in der Rentenversicherung umfassend berücksichtigt (Kindererziehungs- und Kinderberücksichtigungszeiten) und in der Gesetzlichen Krankenversicherung sind Kinder beitragsfrei mitversichert. Zudem gibt es zahlreiche familienfördernde bzw. kindbezogene Maßnahmen (z.B. Elterngeld, Kinderzuschlag, Unterhaltsvorschuss, Wohngeld), die Familien je nach Bedarf unterstützen.

Für die SPD-Bundestagsfraktion kommt es darauf an, dieses System zielgenauer und gerechter weiterzuentwickeln. Es kommt darauf an, Familien zu fördern statt Kinderlose zu bestrafen. Ein gelingendes Miteinander in unserer Gesellschaft muss das Ziel sein.

Die Gründe für Kinderlosigkeit oder so genannte Ein-Kind-Familien sind vielfältig. Diese Menschen durch zusätzliche Steuern zu "bestrafen", halte ich ausdrücklich für falsch. Wenn man den Vorschlag, Menschen, die bis 25 Jahre noch kein Kind haben, zu höheren Abgaben heranzuziehen, einmal durchspielt, wird deutlich, wie absurd das ist. Was ist mit denen, die beispielsweise noch keinen Partner gefunden haben? Was mit Homosexuellen? Wenn Frauen ihre Kinder erst mit Ende Dreißig oder Anfang Vierzig bekommen, wird die Demografierücklage dann zurück erstattet? Was ist mit den Menschen, die zwar kinderlos sind, aber ihre Angehörigen pflegen und dafür ihren Beruf aufgeben? Sollen die zusätzlich belastet werden? Und schließlich: Ist es gerecht, wenn ein gering verdienendes Ehepaar oder eine Alleinerziehende mit einem Kind höhere Steuern zahlen müssen, als ein Paar mit zwei Kindern und einem Einkommen von 10.000 Tausend Euro im Monat? Ich finde das alles andere als gerecht.

Kinder bekommt man nicht, um Renditen zu erzielen und es ist nicht die Aufgabe des Staates, vorzuschreiben, wie man lebt. Es ist allerdings die Aufgabe des Staates dafür zu sorgen, dass alle Kinder die gleichen Chancen haben und dass sie in einem Umfeld leben, das sie willkommen heißt. Hier gibt es wahrlich genug zu tun und dafür engagiere ich mich.

Mit freundlichen Grüßen

Caren Marks, MdB