Der Koalitionsausschuss hat entschieden, die verpflichtenden jährlichen Sektorziele im Klimaschutzgesetz abzuschaffen. Wie werden Sie diesbzgl. im Bundestag abstimmen?
Sehr geehrte Frau Kiziltepe,
die jährlichen Sektorziele sind das wichtigste Klimaschutz-Instrument, das wir aktuell haben. Ihre Partei hat eigentlich mehr Klimaschutz versprochen, nicht weniger.
Wird der Beschluss Realität, wären die Folgen fatal: Einzelne Minister*innen können sich aus ihrer Verantwortung stehlen, statt jedes Jahr bei Zielverfehlung konkrete Klimaschutz-Maßnahmen vorzulegen. Untätige Minister wären aus der Pflicht. Verlieren würde das Klima - und damit wir alle.
Das Klimaschutzgesetz in seiner jetzigen Form wurde in der Großen Koalition hart von der SPD erkämpft und sollte von SPD und Grünen nun mit allen Mitteln verteidigt werden. Zur oben aufgeführten Frage zusätzlich mein Appell: lassen Sie es nicht zu, dass rückwärtsgewandte Anteile der Regierung fortschrittliche Gesetze torpedieren und die Zukunft unserer Kinder aufs Spiel setzen!
Sehr geehrter Herr H.,
vielen Dank für Ihre Mail. Ihr Engagement für ein effektives Klimaschutzgesetz begrüße ich ausdrücklich. Es war die SPD, die gegen harten Widerstand der Union in der letzten Legislaturperiode ein Klimaschutzgesetz erkämpft hat. Für dieses Gesetz werde ich gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen in der SPD-Bundestagsfraktion auch weiterhin eintreten.
Entgegen der vielfach erhobenen Behauptung, die Sektorziele würden abgeschafft werden, haben wir ihre Beibehaltung vereinbart. Wir müssen aber anerkennen, dass die Pflicht, bei Zielverfehlung jährlich neue Programme in einzelnen Sektoren aufzulegen, nicht automatisch zur Einhaltung unserer Klimaziele führt. Insbesondere im Gebäude- und Verkehrsbereich sind neben kurzfristigen Maßnahmen auch mehrjährige Programme erforderlich, die erst im Laufe der Jahre ihre Wirkung entfalten können. Deshalb wollen wir das Klimaschutzgesetz weiterentwickeln und besser machen.
Künftig muss die Bundesregierung aber bereits im ersten Jahr einer Legislaturperiode ein umfassendes sektorübergreifendes Klimaschutzprogramm beschließen. Grundlage bleibt wie bisher ein jährliches Monitoring der Emissionsentwicklung für die einzelnen Sektoren. Um besser als bisher überprüfen zu können, ob wir uns auf dem richtigen Kurs zur Erreichung der Klimaziele befinden, betrachten wir in Zukunft nicht nur die Vorjahresemissionen, sondern auch die Prognose für die zukünftige Emissionsentwicklung. Das bedeutet: Mit den Emissionsdaten des Vorjahres wird in Zukunft auch die prognostizierte Emissionsentwicklung für die Jahre bis 2030 und mit Blick auf 2035, 2040 und 2045 dargestellt. Es wird für jeden Sektor geprüft, ob die CO2-Minderung ausreicht, um die Ziele zu erreichen.
Wenn das Gesamtziel aller Sektoren künftig zwei Jahre in Folge überschritten wird, ist die Bundesregierung verpflichtet, Maßnahmen zu beschließen, die sicherstellen, dass das Klimaziel für 2030 erreicht wird. Dazu müssen weiterhin gerade jene Sektoren beitragen, die Ziele verfehlen. Klimaschutz wird damit zu einer echten Querschnittsaufgabe der Bundesregierung. Damit sich sowohl einzelne Ministerien als auch die gesamte Bundesregierung zukünftig nicht aus der Verantwortung schleichen, kommt es uns hierbei auf eine hohe Verbindlichkeit an.
Ich kann Ihnen versichern, dass wir bei dem nun anstehenden Gesetzgebungsverfahren genau darauf achten werden, dass das von uns auf den Weg gebrachte Klimaschutzgesetz nicht verwässert, sondern sogar besser als bisher wird.
Das geltende Recht ist klar und neue Gesetze macht der Bundestag. Damit ist die Rechtslage eindeutig. Der Verkehrsminister bleibt aufgefordert, seinen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Sollte es in den nächsten Monaten eine Novelle des Klimaschutzgesetzes geben, käme es zu einer neuen Rechtslage - mit entsprechenden Folgen für die Pflichten der Bundesregierung. Im Rahmen der Novelle des Klimaschutzgesetzes muss aber auch der Aspekt diskutiert werden, wie das Parlament mehr Verbindlichkeit gegenüber der Bundesregierung erreichen kann. Das gilt insbesondere für den Bereich des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr, da in diesem Bereich die Sektorziele aktuell nicht erreicht werden und noch kein Sofortprogramm zur Erreichung der Klimaziele im Verkehrsbereich vorliegt.
Darüber hinaus füge Ich Ihnen gerne die entsprechende Passage aus der Koalitionsvereinbarung (Seite 2-3) an, sodass Sie nachvollziehen können, auf welcher Grundlage meine Ausführungen aufbauen:
„Die Novelle des Klimaschutzgesetzes wird insbesondere folgende Punkten beinhalten:
1. Künftig wird die Bundesregierung im ersten Jahr einer Legislaturperiode ein umfassendes sektorübergreifendes Klimaschutzprogramm beschließen, um das Erreichen der Klima-ziele sicherzustellen. Dabei liegt der Fokus auf einer langfristig wirksamen, ökonomisch vernünftigen und sozial gerechten Transformation.
2. Die Bundesregierung wird weiterhin das jährliche Monitoring der Emissionsentwicklung vorlegen. Darin wird für jeden Sektor die erreichte Minderung transparent aufgeführt. Mit den Emissionsdaten des Vorjahres werden in Zukunft die prognostizierte Emissionsentwicklung für die Jahre bis 2030 und mit Blick auf 2035, 2040 und 2045 dargestellt. Das Vorjahresergebnis wird dahingehend bewertet, ob die zur Zielerreichung benötigte Minderungsmenge für jeden Sektor erreicht werden wird.
3. Zukünftig werden alle Sektoren aggregiert betrachtet. Wenn die Projektionsdaten in zwei aufeinanderfolgenden Jahren zeigen, dass mit den aggregierten Jahresemissionen bis zum Jahr 2030 das Gesamtminderungsziel nicht erreicht wird, wird die Bundesregierung auf Basis der Vorschläge der maßgeblich für die Minderungsmengen der Sektoren verantwortlichen Bundesministerien Maßnahmen beschließen, die sicherstellen, dass das Minderungsziel bis 2030 dennoch erreicht wird. Alle für die Sektoren verantwortlichen Bundesministerien, insbesondere jene, in deren Zuständigkeitsbereich die Sektoren liegen, die die Zielverfehlung verursacht haben, haben zu den Maßnahmen der Minderung beizutragen.
4. Damit das Ziel der Netto-Treibhausgasneutralität im Jahr 2045 erreicht werden kann, werden zum Ausgleich unvermeidbarer Emissionen natürlichen Senken und technische Senken wie Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Speicherung (BECCS) oder direkte CO2-Abscheidung aus der Luft und anschließende Speicherung (DACCS) eine Rolle spielen. Die Bundesregierung wird für die Jahre 2035, 2040 und 2045 ein Ziel für Negativemissionen festlegen. Dies wird erstmalig im Jahr 2024 auf Basis, der im Koalitionsvertrag für dieses Jahr vorgesehenen Langfriststrategie zum Umgang mit unvermeidbaren Restemissionen geschehen.“
Ich hoffe, ich konnte Ihnen die Beschlüsse des Koalitionsausschusses verständlich erläutern. Seien Sie sich sicher: Wir in der SPD stehen für einen ambitionierten Klimaschutz und arbeiten weiterhin an der Erreichung des 1,5-Grad-Ziels.
Mit freundlichen Grüßen
Cansel Kiziltepe