Frage an Burkhardt Müller-Sönksen von Rainer O. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Müller-Sönksen,
der Vorsitzende des Rechtsausschusses, Herr Siegfried Kauder (CDU) hat in der letzten Woche zusammen mit SPD, Grünen und Linkspartei einen Gesetztentwurf vorgelegt, der Korruption bei Abgeordneten endlich unter Strafe stellt. Nur drei Staaten wie Deutschland und Syrien haben bisher kein entsprechendes Gesetzt, wofür Deutschland sich vor der UNO verpflichtet hat.
Lt. Abgeorndetenwatch ist lediglich die FDP dagegen.
Ist die FDP nun dafür, dass Korruption weiterhin nicht bestraft wird? Diesen Eindruck muss man gewinnen.
Können Sie Herrn van Essen davon überzeugen, dass dieses Gesetz nicht nur für Deutschland wichtig ist, sondern auch für die Wählbarkeit der FDP?
Mit freundlichen Grüßen
R. Ott
Sehr geehrter Herr Ott,
vielen Dank für Ihr Schreiben, zu dem ich gerne Stellung nehmen möchte.
Wie sie bereits wissen, hat die Bundesrepublik bislang die UN-Konventionen nicht ratifiziert, so dass diese bei uns noch kein geltendes Recht darstellen. In meinen Augen sagt der Umstand, dass manche Staaten die Konvention ratifiziert haben und andere wider rum nicht, weniger über die hier geltenden Abgeordnetenrechte aus.
Denn gerade in den Rechten und Pflichten, aber insbesondere in der rechtlichen Stellung der Abgeordneten, liegt der Grund, warum ein Straftatbestand der die Korruption von Abgeordneten unter Strafe stellt nicht in der Form denkbar ist.
Die bislang bestehenden strafrechtlichen Regelungen der Vorteilsnahme (§331 StGB) und die Bestechlichkeit (§332 StGB) gelten für Amtsträger oder für einen für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten. Ein Abgeordneter ist jedoch kein Amtsträger, so dass diese Regelungen sich nicht auf einen Abgeordneten anwenden lassen. Ein Abgeordneter ist freigewählt und im Gegensatz zu einem Beamten besteht für ihn auch kein klarer Pflichtenkreis. Sie können frei ihre Interessen vertreten, diese dürfen auch einseitig sein (Art.38 GG). Dies ist meistens schon dann der Fall, wenn sie Interessen ihres Wahlkreises und somit die Belange der Wähler vertreten und für diese einstehen. Nach der UN-Konvention würden sich die MdB dann strafbar machen, wenn ihm die Bürger dafür ihre Stimme versprechen. Das widerspräche dem Demokratiegedanken.
Die bislang vorgeschlagenen Gesetzesentwürfe sind zudem verfassungsrechtlich bedenklich. Zum einen ist der von den Grünen, der Linken und der SPD-Fraktion geforderte Tatbestand zu unbestimmt, die verwendeten Begriffe sind zu schwammig und würden somit keine Rechtssicherheit schaffen und verfassungsrechtlich gegen Art.103 Abs.2 GG verstoßen. Auch der von Siegfried Kauder mitgetragene Entwurf ist ungeeignet. Es ist nicht klar definiert, welche Handlungen unter Strafe gestellt werden. Es heißt dort lediglich die „Ausübung des Mandats“. Dies lässt eine sehr weite Auslegung zu und der Abgeordnete könnte sich mit vielen Handlungen potentiell strafbar machen.
Den Abgeordneten muss eine freie Interessenvertretung möglich sein. Um der Vielfalt der Gesellschaft gerecht zu werden, ist es notwendig, dass die Abgeordneten, als Repräsentanten der Bevölkerung, die einzelnen Interessen durchsetzen können ohne bei jedem möglichen Konflikt eine Straftat zu begehen. Die Tätigkeit der MdB reicht über das eigentlich parlamentarische Wirken hinaus in das allgemeine politische Geschehen, wo scharf abgrenzbare Verhaltensvorschriften fehlen.
1994 wurde in Folge eines Gesetzesentwurf der FDP-Bundestagsfraktion der bis heute geltende §108 e StGB (Abgeordnetenbestechung) eingeführt. Dort heißt es schon, dass der Tatbestand der Abgeordnetenbestechung nicht mit dem der Beamten- und Richterbestechung gleichgestellt werden kann.
Außerdem stellte der BGH im Urteil vom 9. Mai 2006 (Aktenteichen: 5 StR 453/05) dazu noch einmal klar, dass Abgeordnete keine Amtsträger sind.
Die öffentliche Anhörung der Opposition zum Gesetzesentwurf der Abgeordnetenbestechung hat den klaren Verriss aller dieser Entwürfe ergeben, weil sie entweder gegen Art. 38 GG oder gegen Art. 103 Abs. 2 GG verstoßen haben. Interessant ist zu beobachten gewesen, dass trotz breiter Anwesenheit von Medienvertretern keine Berichterstattung darüber stattgefunden hat, dass die Entwürfe der Opposition untauglich waren.
Aus meiner Sicht ist die Diskussion nicht beendet, sondern sollte vielmehr grundsätzlicher geführt werden. Besonders wichtig ist mir dabei, dass die Unschärfe nicht die Unabhängigkeit des Mandates berührt. Ein Gesetz was den Verfassung „Im Zweifel für den Angeklagten“ (In dubio pro reo) umdreht und mit einer unscharfen Formulierung dazu führt, dass der Abgeordnete im Zweifel schuldig sein könnte, lässt eine unbefangene Mandatsausübung in keine guten Licht erscheinen. Im Übrigen führen im Medienzeitalter auch Handlungen die keiner strafrechtlichen Sanktionierung unterliegen zur Höchststrafe von Politikern: Dem Verlust des Mandats.
Ich hoffe, dass ich Ihnen weiterhelfen konnte.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Burkhardt Müller-Sönksen, MdB