Frage an Burkhardt Müller-Sönksen von Oliver S. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Müller-Sönksen,
zunächst einmal möchte ich mich mich darüber beschweren, dass sie nicht an der Abstimmung zum Thema Laufzeitverlängerung der AKWs teilgenommen haben. Ich denke, bei einer so wichtigen Abstimmung sollte man anwesend sein (auch wenn ich die Umstände nicht kenne).
nun zum Thema:
ich habe im Internet einen Vortrag zum Thema Systemkrise/ESM/Finanzsystem gesehen, bei dem es mir jetzt darum geht, etwas über ihre Position dazu zu erfahren. (Ich weiß, der Vortrag ist etwas länger und Andreas Popp schweift auch immer mal wieder ab). Trotzdem ist der Vortrag ja dazu geeignet, Position zu beziehen und deutlich diesem Tenor zuzustimmen oder ihn abzulehnen.
www.youtube.com/watch?v=1rvPPxnITzU&feature=BFa&list=PLE4FF92FB5C45728C
Mir geht es darum, inwieweit sie den Thesen zustimmen können, dass...
(a) ... Politiker/der Staat in einem Korsett von Abhängigkeiten (Geschäftsbanken, Privatwirtschaft) agieren,
(b) ... es eine wirtschaftliche bzw. finanzielle Umverteilung von den Fleißigen zu den Reichen gibt, die durch das System begünstigt wird und
(c) ... der ESM in der im Einspielfilm kritisch dargestellten Form so gewollt sein kann oder bekämpft werden muss. (kurzer Einspielfilm, beginnt bei 1:32:20 - 1:36:08h). Oder ist alles ganz anders als dargestellt?
(d) ... die Zinsen in unserem Wirtschaftssystem Probleme verursachen und man über das langfristige Abschaffen der Zinsen nachdenken müsse.
Ich kann mir vorstellen, dass der Vortrag lang und die Fragen zu komplex für eine kurze bzw. schnelle Antwort sind, möchte sie aber trotzdem anschreiben, um zu verstehen, wie ihre Position als Bundestagsabgeordneter und Vertreter meines Wahlkreises dazu ist.
Ich möchte mir eine Meinung zu dem Thema bilden und ihre konkrete Meinung zu den inhaltlichen Positionen aus dem Vortrag (die Abschweifungen des Vortrags in andere Bereiche oder die Vortragsweise sind mir egal...).
Vielen Dank schonmal im Voraus für ihre Arbeit
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Sinhart,
zu den Laufzeitverlängerungen der AKWs gab es am Abstimmungstag über dreißig namentliche Abstimmungen. Ich habe eine hiervon versäumt an allen weiteren habe ich teilgenommen. Mein jeweiliges Abstimmungsverhalten ist im Plenarprotokoll des Bundestages vermerkt.
Vielen Dank für Ihre Frage zur Stabilisierung unserer europäischen Gemeinschaftswährung.
Ich bitte um Ihr Verständnis, dass ich keine umfassende Kommentierung eines Vortrages vornehme, dessen Entstehungskontext sich mir entzieht. Gerne nehme ich jedoch grundsätzlich zum Thema Währungsstabilisierung Stellung.
Die Entscheidungen zur Stabilisierung der Gemeinschaftswährung, insbesondere die über die Finanzhilfen für Griechenland, habe ich mir nicht leicht gemacht und habe meine Bedenken in persönlichen Erklärungen im Bundestag bei jeder einzelnen Entscheidung zu Protokoll gegeben.
Alle Entscheidungen des Bundestages Griechenland betreffend, standen unter dem Vorbehalt der prognostizierten Wirtschaftsentwicklung. Diese ist nach aus jetziger Sicht ungünstiger verlaufen als 2011 erwartet.
Hintergrund dieser negativen Entwicklung sind zwei Parlamentswahlen, welche aufgrund des Scheiterns der Regierungsbildung nötig wurden. Um das vereinbarte Programm dennoch zum Erfolg zu führen sind Korrekturen und Anpassungen im Konzept erforderlich geworden.
Aus meiner Sicht kann die Möglichkeit eines erforderlichen Schuldenschnittes für Griechenland nicht kategorisch ausgeschlossen, sollte aber auch nicht herbeigeredet werden.
Entgegen früherer Äußerungen von Bundesfinanzminister Schäuble gehe ich fest davon aus, dass es schon in 2013 zu negativen Auswirkungen von knapp einer Milliarde Euro auf den Bundeshalts kommen wird. Auch rechne ich mittelfristig fest mit einem Anstieg der Inflation, welche als Folge der eingeschlagenen Maßnahmen zu sehen ist. Auch wenn die Inflation zur Zeit sehr niedrig und eine Erhöhung insbesondere der exorbitant gestiegenen Energiepreise zuzurechnet ist, muss die Gefahr der Inflation offen und ehrlich angesprochen werden.
Ich werde, trotz meiner geäußerten Vorbehalte und meiner Kritik, den Änderungen am Finanzhilfeprogramm für Griechenland meine Zustimmung nicht verweigern.
Eine sofortige Beendigung der Finanzhilfen, wie sie die Kritiker vorschlagen, hätte verheerende Folgen. Schon im Dezember würde Griechenland die Zahlungsunfähigkeit drohen. Alle Verbindlichkeiten würden damit - auch das gehört dann auf der anderen Seite zur notwendigen Ehrlichkeit - vollständig verloren sein und mit negativen Auswirkungen auf weitere EU-Staaten wie insbesondere Italien, Spanien und Portugal ist fest zu rechnen.
Dieser Domino-Effekt hätte auch direkte negative Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum in Deutschland. Steigende Arbeitslosigkeit und ein Rückgang der Steuereinnahmen sowie der Sozialversicherungsbeiträge wären die direkten Folgen.
Europa ist mehr als nur ein Währungsraum. Europa hat eine gemeinsame Geschichte und eine gemeinsame Zukunft. Die Europapolitik der FDP glaubt an das Erfolgsmodell Europa. Die jetzigen Kosten, trotz ihrer Höhe, sind wichtige Investition für die konsequente Umsetzung des europäischen Gedankens von Frieden, Freiheit und Zusammenhalt.
Dieser Aspekt wird neben allen berechtigten fiskalischen und Haftungsfragen viel zu häufig nicht aus dem öffentlichen Blickfeld gerückt.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr
Burkhardt Müller-Sönksen
Niels Schwiderski, M.A.
Büroleiter
Burkhardt Müller-Sönksen, MdB