Frage an Burkhardt Müller-Sönksen von Constantin C. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Müller-Sönksen,
mit großer Enttäuschung habe ich festgestellt, dass die FDP mit Ausnahme einiger weniger Enthaltungen geschlossen gegen ein Gesetzesvorschlag für ein Recht auf Eheschließung zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren gestimmt hat. Die heute möglichen eingetragenen Lebenspartnerschaften gehen mit Benachteiligungen im Steuer- und Adoptionsrecht einher. Wie kann die FDP als Partei, die sich früher noch für Freiheit und Bürgerrechte eingesetzt hat, eine solch offene Diskriminierung heute noch begründen?
Mit freundlichen Grüßen
Constantin Calavrezos
Sehr geehrter Herr Calavrezos,
vielen Dank für Ihre Frage zur Haltung der FDP zum Thema Recht auf Eheschließung für gleichgeschlechtliche Paare.
Die FDP hat in der Koalition mit der Union zahlreiche Schritte zur Gleichstellung eingetragener Lebenspartner durchgesetzt, so die volle Gleichstellung im Beamten-, Richter- und Soldatenrecht, bei der Erbschaftsteuer und Grunderwerbsteuer sowie beim BAföG. Auf Initiative des Bundeswirtschaftsministers ist im aktuellen Entwurf des Jahressteuergesetzes die Gleichstellung bei den vermögensbildenden Leistungen vorgesehen. Die Bundesjustizministerin bereitet zudem ein Rechtsbereinigungsgesetz für das Recht eingetragener Lebenspartnerschaften vor, mit dem die Gleichstellung in einer Reihe von weiteren Rechtsbereichen umgesetzt werden soll.
Anders als im Koalitionsvertrag angelegt, ist die steuerliche Gleichstellung der Lebenspartner mit der Ehe immer noch nicht umgesetzt. Insbesondere im Einkommensteuerrecht gibt es aus unserer Sicht ein verfassungsgemäßes Gebot, angesichts der gleichen Unterhalts- und Einstandspflichten wie bei Ehegatten die Lebenspartner auch in der Einkommensteuer wie Ehegatten zu behandeln.
Da ich mich als Mitglied des Verteidigungsausschusses seit vielen Jahren für die Gleichstellung von Homosexuellen in den Streitkräften einsetze, war es mir besonders wichtig, dass im Einsatzversorgungsgesetz die eingetragene Lebenspartnerschaft mit der Ehe gleichstellt wird und Hinterbliebene in homosexuellen Partnerschaften in gleichem Maße Versorgungsleistungen erhalten, wie die Ehepartner in einer heterosexuellen Beziehung.
Die FDP hat in ihrem Grundsatzprogramm die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare als politisches Ziel beschlossen.Viele FDP-Abgeordnete haben daher bereits auf eine Befragung des ColognePride auf die Frage, ob sie die Öffnung der Ehe befürworten, mit Ja geantwortet. Die Frage bezog sich aber ausdrücklich nicht auf den vorliegenden Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen.
Dem vorliegenden Gesetzentwurf mangelt es an Sorgfalt. In letzter Minute – nicht etwa wie üblich im Rechtsausschuss, sondern im Plenum - legt Bündnis 90/Die Grünen einen Änderungsantrag vor, mit dem ein gravierender Fehler korrigiert werden soll. Nach dem bisherigen Wortlaut bezog sich die Inkrafttreten-Regelung nicht auf die Verkündung des Gesetzes, sondern auf den 1. Januar 2012, der bereits abgelaufen ist. Nach dem Wortlaut des Gesetzentwurfes hätten ab diesem Stichtag keine eingetragenen Lebenspartnerschaften mehr geschlossen werden dürfen. Seit dem 1. Januar 2012 geschlossene eingetragene Lebenspartnerschaften wären wohl unwirksam gewesen.
Der zentrale Mangel des Gesetzentwurfes besteht darin, dass keine ausreichende verfassungsrechtliche Prüfung vorgenommen wurde, ob eine einzelgesetzliche Regelung ausreicht oder ob angesichts der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich wäre. Wegen dieses Mangels von Verfassungsrang hat auch der rechtspolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Jerzy Montag, im Rechtsausschuss nicht für den vorliegenden Gesetzentwurf gestimmt.
Ich respektiere und erkenne an, dass die FDP-Bundestagsfraktion das Ziel der Öffnung der Ehe teilt, jedoch insgesamt wegen des bestehenden Koalitionsvertrages mit CDU und CSU, aber auch wegen der genannten fachlichen Schwäche des Gesetzentwurfes diesem nicht zustimmen kann.
Grundsätzlich stimme ich mit dem Ziel des von den Grünen vorgelegten Gesetzentwurf überein. Angesichts der unzureichenden verfassungsrechtlichen Prüfung konnte ich dem Entwurf jedoch nicht zustimmen, da ich die Auffassung vertrete, dass ein schlecht gemachtes Gesetz, welches einer Prüfung des Verfassungsgericht voraussichtlich nicht standgehalten hätte, unserem gemeinsamen Ziel, der kompletten Gleichstellung mit allen Rechten und Pflichten, mehr geschadet, als genützt hätte. Auf der Podiumsdiskussion im Rahmen des CSDs in Hamburg wurde deutlich, dass die Grünen diesen Antrag als „Show-Antrag“ für ihre CSDU-Auftritte verwenden wollten. Dafür spricht, wie oben schon gesagt, die hastige Direkteinreichung im Bundestag, die erhebliche handwerklichen Mängel und nicht zuletzt der Zeitpunkt, womit ich nicht meine dass die Grünen in eigener Regierungszeit weniger umgesetzt haben als die FDP in dieser Legislaturperiode. Ganz aktuell fordert unsere FDP-Bundesjustizministerin SLS den CDU-Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble auf die steuerliche Gleichstellung vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes nachzukommen. Die FDP für Akzeptanz und Toleranz für die Gleichstellung gearbeitet und maßgeblich gesellschaftspolitisch für den Anerkennungsprozess gekämpft. Für die FDP ist und war es immer das Ziel zugunsten der Sache einen überparteilichen Erfolg zu erzielen, anstatt einen parteipolitisch motivierten Gegensatz zu provozieren.
Mit freundlichen Grüßen,
Burkhardt Müller-Sönksen