Frage an Burkhardt Müller-Sönksen von Helena P. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Müller-Sönksen,
Deutschland ist eines der wenigen Länder, die die UN-Konvention gegen Korruption nicht ratifiziert hat. Peinlich ! Hauptgrund ist die zu laxe Handhabung der Abgeordnetenbestechung. Wie stehen Sie dazu ? Was gedenken Sie zu unternehmen ?
Sehr geehrte Frau Peltonen,
ich antworte Ihnen auf Ihre Fragen an mich, mit denen Sie eine Ratifikation des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Korruption (UNCAC) einfordern.
Der richtige Ansatz dieses Abkommens liegt auf der Hand. Selbstverständlich ist auch der FDP-Bundestagsfraktion an einer wirksamen Bekämpfung aller Formen von Korruption gelegen. Wir akzeptieren diese Kriminalitätsform innerhalb von Parlamenten genausowenig wie außerhalb. Dem grundsätzlich gut gemeinten Anliegen einer Verschärfung der Normen zur Abgeordnetenbestechung stehe ich allerdings skeptisch gegenüber. Die rechtstechnischen Möglichkeiten hierzu sind gering. Das freie Mandat der Abgeordneten aus Artikel 38 Grundgesetz muss ebenso berücksichtigt werden wie der Umstand, dass frei gewählte Abgeordnete nicht mit Beamten gleichgesetzt werden können. Dies gilt insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass anders als bei Beamten kein klarer Pflichtenkreis für Abgeordnete existiert.
Die bisher gemachten Vorschläge für eine Ausweitung der von Ihnen angesprochenen Vorschrift zur Abgeordnetenbestechung wären wegen fehlender Klarheit und diverser unbestimmter Rechtsbegriffe verfassungsrechtlich sehr angreifbar. Soweit dabei mit einer Allgemeinwohlverpflichtung der Abgeordneten argumentiert wird, so ist schwer zu definieren, wie ein solches "Allgemeinwohl" umschrieben werden kann. Diese Figur wird jedenfalls von den unterschiedlichen politischen Richtungen, die sich in den Parteien und Fraktionen widerspiegeln, meist sehr unterschiedlich definiert. Greenpeace wird beispielsweise ganz andere Dinge als dem Wohle der Allgemeinheit dienend ansehen als der Deutsche Industrie- und Handelskammertag, Transparency International beispielsweise ganz andere Dinge als der Kinderschutzbund. Abgeordnete sind durch das Grundgesetz ihrem Gewissen als Leitlinie unterworfen und nicht etwa einem Durchschnitt aller Interessen aller Interessengruppen. Es erscheint daher meiner Fraktion grundsätzlich nicht möglich, den Handlungsrahmen eines Abgeordneten gesetzlich zu definieren. Dem grundsätzlich gut gemeinten Anliegen einer Verschärfung der Normen zur Abgeordnetenbestechung stehe ich deshalb skeptisch gegenüber. Die rechtstechnischen Möglichkeiten sind gering. Das bereits erwähnte freie Mandat der Abgeordneten aus Artikel 38 Grundgesetz muss ebenso berücksichtigt werden wie der Umstand, dass frei gewählte Abgeordnete nicht mit Beamten gleichgesetzt werden können. Letzteres hat der Bundesgerichtshof im Jahr 2006 noch einmal klargestellt.
Der Entwurf der Grünen aus 2007 war denn auch nicht geeignet, das Problem zu lösen. Danach sollte es im Ergebnis Gerichten überlassen werden, zu bestimmen, wann beispielsweise eine Spende an eine Partei verwerflich und damit strafbar wäre. Die Grünen wollten nur "ungerechtfertigte Vorteile" erfassen und "politische Tausch- und Gegenseitigkeitsgeschäfte aus der Strafbarkeit ausnehmen". Wer sich einmal an einer Definition solch eines "ungerechtfertigten Vorteils" versucht, wird schnell erkennen, dass dies ohne Verletzung des Bestimmtheitsgebotes der Verfassung kaum möglich ist. Die Grünen hätten jedenfalls bei einer Umsetzung ihres zu unbestimmten Vorschlages zumindest mindestens einem damaligen Abgeordneten der SPD-Fraktion größte Abgrenzungsprobleme bereitet: Der mittlerweile verstorbene Abgeordnete Hermann Scheer saß als wichtigster deutscher Lobbyist der Solarwirtschaft gleich direkt in der Volksvertretung.
Erlauben Sie mir schließlich zu betonen, dass Parlamentarier unter der Kontrolle des Souveräns stehen; dieser soll sie bei der nächsten Wahl abstrafen, wenn sie gegen den Auftrag des Wählers verstoßen. Wollte man Beamte und Abgeordnete dagegen gleichstellen, verstieße dies gegen den grundgesetzlichen Gleichheitssatz aus Art. 3 GG, der verbietet, ungleiches gleich zu behandeln. Dies hat nichts mit einer geteilten Moral zu tun. Abgeordnete können als ganz klare Interessenvertreter in ein Parlament frei gewählt werden. Ihr Aufgabenkreis ist es dann, die Interessen ihrer - womöglich stark abgegrenzten - Gruppe von Wählern zu vertreten.
Zusammengefasst lassen Sie mich noch einmal feststellen: Eine Formulierung einer verfassungsmäßig ausreichend bestimmten Trennlinie zwischen Interessenwahrnehmung im Wählerauftrag und korrumptivem Verhalten ist noch nicht gelungen. Seien Sie versichert, dass meine Fraktion die Debatte um eine rechtsstaatlich und verfassungsrechtlich saubere Umsetzung weiter offen führt.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Burkhardt Müller-Sönksen, MdB