Frage an Burkhard Masseida von Anna M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Masseida,
gerne möchten wir Ihre Haltung zu nachfolgenden Themenkomplexen erfahren. Vielen Dank vorab, für Ihre diesbezüglichen Bemühungen.
A) Versammlungsgesetz
Wie angekündigt, wird es in der nächsten Legislaturperiode zu einem eigenen Versammlungsgesetz für Hamburg kommen. Wir wollen von Ihnen wissen, wie dies Ihrer Meinung nach gestaltet werden muss.
1) Welche Möglichkeiten sehen Sie, die Arbeitskampf nach Art.9 Abs.3 Grundgesetz zu schützen?
2) Wie werden Sie sich für ein Verbot von Neonaziaufmärschen einsetzen?
3) Ziviler Ungehorsam ist Mittel dessen wir uns oft bedienen. Wie stehen Sie dazu?
4) Wir fordern eine Kennzeichnungspflicht für Polizistinnen und Polizisten um gegen Übergriffe der Polizei auf Demonstrationen vorgehen zu können. Wie stehen Sie dazu?
B) AFD
Erst kürzlich gab das Hamburger Bündnis Gegen Rechts eine Broschüre zur Kritik der Afd heraus. Dort heisst es "Mit der Alternative für Deutschland
(AfD) konstituiert sich seit Februar 2013 eine rechtspopulistische Partei in Deutschland, bei der „Nationalismus nicht der Anstrich
[...] sondern Kern“ der Politik ist."
1) Welche Erfahrungen haben Sie im Umgang mit der AfD auf dem Polit-Parkett bereits sammeln können?
2) Unter welchen Umständen kam/käme eine Zusammenarbeit mit der AfD für Sie in Frage?
3) Welchen politischen Umgang streben Sie mit der AfD an?
4) Die AfD hat kürzlich eine Strafanzeige gegen die Kampnagelintendantin Amelie Deuflhard und gegen das auf dem Gelände betriebene Projekt "Eco-Favela" gestellt. Welche Position vertreten Sie in dieser Auseinandersetzung?
Sehr geehrte Frau M.,
gerne nehme ich zu ihren Fragen Stellung. Bzgl. Ihrer Fragen zu einem kommenden Hamburgischen Versammlungsgesetz lassen Sie mich vorausschicken, dass wir PIRATEN uns diesem Thema bereits in unserem Wahlprogramm widmen. Unser Ziel ist dabei, nicht etwa ein weiteres "Versammlungsverhinderungsgesetz" zu schaffen, wie es in anderen Bundesländern zum Teil der Fall ist, sondern ein liberales Gesetz, dass primär die Rechte der Bürger schützt statt sie zu beschränken. Den entsprechenden Abschnitt unseres Programm finden Sie unter
Zu Frage 1: Mir ist im Moment leider nicht ganz klar, wie sich ein Versammlungsgesetz auf Arbeitskämpfe auswirken soll, zumindest in der derzeitigen Form. Sollte es irgendwelche Bestrebungen geben, Arbeitskämpfe via Versammlungsgesetz einzuschränken, würde ich mich gewiss dagegen aussprechen. Sollte Ihre Frage sich auf andere Gesetzesvorhaben, wie bspw. das sogenannte Tarifeinheitsgesetz beziehen, lehne ich auch dieses ab. Die Tarifeinheit ist durch die ausufernde Leiharbeit und Werksverträge sowieso nicht mehr gegeben, daher ist es nur legitim, dass auch Arbeitnehmer die Freiheit haben, von welcher Gewerkschaft sie sich vertreten lassen möchten und welches Tarifmodell sie bevorzugen.
Zu Frage 2: Ich halte die Versammlungsfreiheit für ein zu hohes Gut, als dass man wegen gelegentlichen Neonaziaufmärschen eine inhaltliche Kontrolle etabliert, die dann am Ende vermutlich eher früher als später auch gegen ganz andere Veranstaltungen eingesetzt würde. Selbstverständlich gilt das Versammlungsrecht nur "friedlich und ohne Waffen", und dies muss auch bei Neonaziaufmärschen konsequent durchgesetzt werden. Hierbei sind nicht nur Ausschreitungen, sondern auch der Verstoß gegen die Menschenwürde schützende Strafgesetze wie § 130 StGB eindeutig als unfriedlich zu klassifizieren. Die Verhinderung von Aufmärschen halte ich aber nicht für eine Aufgabe des Staates. Hier ist die Zivilgesellschaft gefordert, sich dem in den Weg zu stellen.
Zu Frage 3: Wie bereits in der vorigen Antwort geschrieben, halte ich es für die Aufgabe von uns allen, der Zurschaustellung menschenverachtenden Gedankenguts entgegenzutreten. Auch und gerade wenn die Organe des Rechtsstaats gezwungen sind, diese hinzunehmen oder gar zu schützen. Ich sehe zivilen Ungehorsam also durchaus als legitimes Mittel von Bürgern an, wenn die Rechtsordnung und das persönliche, moralische Empfinden ansonsten unvereinbar scheinen.
Zu Frage 4: Die Forderung nach einer individuellen Kennzeichnungspflicht für Polizisten erhebt die Piratenpartei schon lange und sie befindet sich auch in unserem Programm zur Bürgerschaftswahl.
https://hamburgwahl.piratenpartei.de/programm/#Kennzeichnungspflicht_f.C3.BCr_Polizeibeamte
Was das Verhältnis zur AfD angeht, beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:
Zu Frage 1: Die AfD ist meiner Ansicht nach eine rechtspopulistische Partei, die marktradikale und nationalistische Positionen vertritt und sich in etwa mit der amerikanischen "Tea Party"-Bewegung vergleichen lässt. Auch christliche Fundamentalisten sind dort gleichfalls gut vertreten. Meine direkten Erfahrungen mit AfDlern beschränken sich auf Leute, die einem an Infoständen Gespräche aufzwingen. Diese treten dann meistens wie Sales-Drohnen auf, die nach irgendeinem auswendig gelernten Skript agieren, was extrem nervig ist.
Zu Frage 2: Unter gar keinen. (Ausgenommen die gesetzlich vorgeschriebene, institutionell erforderliche parlamentarische Zusammenarbeit, bspw. als Ausschussvorsitzender.) Die Politik der AfD unterscheidet sich in quasi allen Bereichen so dermaßen von der der Piratenpartei, dass es da keine ernsthafte Zusammenarbeit geben kann. Folgerichtig hat der Bundesparteitag 2013.1 der Piratenpartei eine Unvereinbarkeitserklärung beschlossen. Gemeinsame Anträge o.ä. mit PIRATEN und AfD wird es daher nicht geben.
Zu Frage 3: Sollte es einen Konsens gegen die AfD geben, vergleichbar dem "Schweringer Weg" gegen die NPD, würden wir PIRATEN uns daran beteiligen. Da aus Reihen der CDU aber teilweise schon auf mögliche Koalitionen geschielt wird, halte ich das nicht für sehr realistisch. Ansonsten muss man sich immer wieder die Frage stellen, wo man der AfD offen widersprechen muss, und wo man auf Provokationen eher nicht eingeht, um ihnen keine unnötig große Bühne zu bieten. Das ist von Fall zu Fall unterschiedlich zu beurteilen.
Zu Frage 4: Ich bin zwar kein Jurist, aber eine Strafbarkeit wegen "Beihilfe zu illegalem Aufenthalt" erscheint mir weit hergeholt. Unabhängig vom derzeitigen Rechtsstatus der dort anscheinend wohnenden Flüchtlinge, macht gerade die Öffentlichkeit dieser Aktion eine Beihilfe meiner Ansicht nach geradezu unmöglich. Im Gegenteil würde den Behörden ein Zugriff auf die Betroffenen zum Zwecke der Aufenthaltsbeendigung geradezu erleichtert. Ich halte diese "Strafanzeige" daher von Anfang an für eine PR-Aktion der AfD-Kandidatin. Dass es für Frau Deuflhard unangenehm ist, angezeigt zu werden, und sie in dieser Situation einer gewissen Solidarität bedarf, daran besteht kein Zweifel. Die einsetzende Empörungswelle gegen Frau Weber von der AfD war aber meiner Ansicht nach von vornherein genau so geplant, und daher hätte man in diesem Fall vielleicht nicht unbedingt in dem Maße darauf anspringen müssen.
Mit freundlichen Grüßen
Burkhard Masseida