Frage an Burkhard Blienert von Hubertus W. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Blienert,
unser Sohn Daniel (24 J mit Trisomie21) wohnt bei uns Zuhaus. Ihm wird nur die Regelstufe 3 Grundsicherung zugesprochen. Lt. Urteil sollte es die Stufe 1 sein!Drei Widerspruchsverfahren laufen! Hintergrund sind drei Urteile des Bundessozialgerichtes vom Juli 2014 AZ: B8 SO 14/13 R, B8 SO 12/13 R und B8 SO 31/12 R. Das BMAS untersagt per "Dekret” den deutschen Sozialleistungsträgern die vorläufige Umsetzung dieser Urteile.
Mit dem o.a. Urteil hatte das Bundessozialgericht eindeutig entschieden, dass volljährige Menschen mit einer Behinderung, die im elterlichen Haushalt oder in einer Wohngemeinschaft leben, einen Anspruch auf die Regelbedarfsstufe 1, also 100% Regelleistung, haben. Und nicht gem. den Anlagen zu § 28 SGB XII, bzw. Einteilungen nach § 8 RBEG (Regelbedarfsermittlungsgesetz) mit Bedarfsstufe 3 "abgefunden” werden können. Zu betonen ist, dass das BSG die Notwendigkeit sah, die vorgenannten Paragraphen verfassungskonform auszulegen. Es steht einem deutschen Bundesgericht durchaus zu, über die Verfassungskonformität von Gesetzen zu entscheiden. Denn es darf nicht vergessen werden, dass es in einer Demokratie die Rolle der Judikative (Gerichtsbarkeit) ist, sowohl die Legislative (Gesetzgebung), als auch die Exekutive (Verwaltung, ausführende Gewalt) zu kontrollieren.
Nunmehr ist das BMAS nach dem Vorliegen der schriftlichen Urteilsbegründungen hergegangen und hat eine Verwaltungsanweisung erlassen, mit der es allen Sozialleistungsträgern zumindest bis Ende März 2015 die Anwendung und Umsetzung dieses Urteils untersagt. Das ist ein einmaliger Vorgang in der deutschen Nachkriegsjustizgeschichte. Ein Ministerium gibt den ihm untergeordneten Behörden die Anweisung, ein Urteil eines deutschen Bundesgerichtes schlichtweg zu ignorieren.
Frage: Stimmen Sie dem Ministerium bzw. Frau Nahles (Verbot der Umsetzung des Urteils) zu und wollen auch Sie die Umsetzung des Urteils verhindern?
Gruß
Familie Hubertus Weitekamp
Sehr geehrte Familie Weitekamp,
vielen Dank für Ihre Mail.
Ich kann Ihren Unmut nachvollziehen und bin daher sehr froh, dass unsere Sozialministerin Andrea Nahles für 2016 eine grundsätzliche Reform der Regelsätze angekündigt hat. Bis diese in Kraft tritt, soll eine Übergangsregelung gelten, wonach auch Ihr Sohn einen Anspruch auf den Leistungsumfang der Regelbedarfsstufe I hat.
Ich halte es für richtig, dass volljährigen Menschen mit Behinderungen, die wegen ihrer Beeinträchtigung noch zuhause leben, nicht weiter die Sozialhilfe gekürzt wird. Damit wird diese Benachteiligung von Menschen mit Behinderung aufgehoben.
Ich freue mich, Sie in Kürze persönlich in Berlin begrüßen zu dürfen und grüße Sie freundlich!
Burkhard Blienert