Frage an Burkard Dregger von Friederike P. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Lieber Herr Dregger,
wie beurteilen Sie das Verhalten Ihrer Schulstadträtin und der sie unterstützenden BVV-Fraktion in Sachen Gemeinschaftsschule? Wie verträgt sich dieses Verhalten, den Schulwillen und den Elternwillen zu missachten, mit den ständigen Forderungen der CDU nach mehr Entscheidungsfreiheit für die Schulen und mehr Berücksichtigung des Elternwillens in der Schulpolitik? Und wie erklären Sie dem zur Unterstützung bereiten unternehmen, dass die Ideologische Ablehnung der Gemeinschaftsschule mehr zählt als die Bereitschaft, Schülern Chancen zu geben?
Liebe Frau Preuß,
die Reinickendorfer Bezirksschulstadträtin sowie die CDU-Fraktion haben eine klare Position, wonach sie die Gemeinschaftsschule ablehnen. Dafür bestehen einige gute Gründe:
1. Das für die Gemeinschaftsschule konstitutive längere gemeinsame Lernen führt nicht zu besseren Abschlüssen, sondern zu schlechteren Ergebnissen:
• Beim JüL (jahrgangsübergreifenden Lernen) bleibt berlinweit fast jedes 5. Kind bereits zu Beginn seiner Schullaufbahn sitzen, beschönigend „verweilen“ genannt.
• Berlin hat als eines von wenigen Ländern in Deutschland Klasse 5 und 6 in der Grundschule. Die Lernergebnisse Berlins bei dieser Form längeren gemeinsamen Lernens sind im Vergleich zum Bundesgebiet schlecht.
• Die „Binnendifferenzierung“, bei der Lehrer jedem Kind Aufgaben entsprechend dem individuellen Lernstand stellen sollen, gelingt nach Untersuchungen des Senats (Schulinspektionen) stadtweit allenfalls in Ansätzen.
Im Gegenteil: Nach 10 Jahren Schulpolitik des Wowereit-Senats setzt sich Berlin leider am Ende der bundesweiten Schulqualitätsvergleiche fest. Diese Entwicklung müssen wir umkehren.
2. Langfristiges Ziel der Einführung der sogenannten Gemeinschaftsschule ist die Zusammenführung der verschiedenen Schularten zu einer einzigen Schulart. Das wollen wir nicht. Die Idee der Einheitsschule krankt an der fehlerhaften Vorstellung, die Menschen seien gleich. In Wirklichkeit sind sie alle verschieden. Ihre Talente sind höchst unterschiedlich ausgeprägt. Manche sind handwerklich begabt, andere sprachlich, wieder andere mathematisch oder naturwissenschaftlich. Daher kommt es darauf an, unseren Kindern ein vielfältiges Bildungsangebot zu erhalten. Das kann eine Einheitsschule nicht leisten.
3. Der jetzt geäußerte Wunsch vieler Eltern am Standort Höch/Greenwich nach einer Gemeinschaftsschule wird von der CDU ernst genommen. Er kann aber nicht alleiniges Entscheidungskriterium sein, wenn die Eltern anderer Schulen von dieser Entscheidung betroffen werden. Einzubeziehen ist nicht nur der Elternwunsch vor Ort, sondern auch die Position der Eltern der umliegenden gut ausgelasteten Schulen, in denen bei Gründung einer Gemeinschaftsschule am Standort Höch/Greenwich noch mehr Kinder aufgenommen werden müssten.
4. Erfreulich ist die Öffnung eines in der Region ansässigen Unternehmens für die Zusammenarbeit mit den Schulen. Die Position des Unternehmens, die Gemeinschaftsschule als Voraussetzung für eine erfolgreiche Kooperation zu sehen, kann aber nicht nachvollzogen werden. Zudem widerspricht sie der Position der „organisierten Wirtschaft“ des Landes Berlin, wie sie von der IHK vertreten wird. Die IHK hat in ihrem Papier „Bessere Bildung für Berlin“ in Punkt 9 gefordert: „Modellprojekt Gemeinschaftsschule aufgeben und in die allgemeine Sekundarschule überführen“.
Berlin gibt seit geraumer Zeit mehr Geld pro Schüler aus als jede andere Bundesland. Erreicht worden ist damit aber leider nicht viel. Im jüngsten Bildungsmonitor ist Berlin wieder auf dem letzten Platz gelandet. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass unsere Kinder ihren individuellen Talenten entsprechend gefördert werden und nicht in einer Einheitsschule untergehen.
Mit freundlichen Grüßen
Burkard Dregger