Frage an Britta Reimers von Meinhart K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
welche konkreten parlamentarischen rechte haben Sie gegenüber der euro-exekutive?
haben Sie oder Ihre kollegen für den fall des euro-crash einen plan b?
welche gründe sehen Sie für eine vielfach angenommene harmonie zwischen deutschen und europäischen interessen?
welche möglichkeiten des widerstands sehen Sie gegen immer mehr selbstermächtigung und diktatur der euro-exekutive?
gibt es die euro-verträge betreffend wie für alle verträge ein kündigungsrecht der einzelnen nationen?
Sehr geehrter Herr Koester,
ich beziehe mich auf Ihr Schreiben zum Thema Euro-crash und zur Position Deutschlands in Europa.
Das Europäische Parlament vertritt die Bürger. Es übt die politische Kontrolle über die Tätigkeit der Europäischen Union aus und hat durch den Lissabonner Vertrag weitreichende Kompetenzen im Bereich der Gesetzgebung erhalten. Wir Europaabgeordnete üben die demokratische Kontrolle über die Union aus. Unter anderem entscheiden wir mit dem Rat über den EU Haushalt.
Europa erlebt momentan eine schwere wirtschaftliche Krise. Die Tragfähigkeit der europäischen Idee wird auf die Probe gestellt. Wichtig ist, dass die Europäische Union handlungsfähig bleibt. Es gibt drei Möglichkeiten:
Entweder wir lassen es darauf ankommen und akzeptieren, dass einige Mitgliedstaaten aus der Eurozone austreten mit dem Risiko eines unkontrollierbaren Dominoeffekts mit nicht abschätzbaren Folgen für alle Mitgliedstaaten. Diese Option wollen wir auf jeden Fall verhindern.
Oder wir setzen auf eine Vergemeinschaftung der Schulden durch die Schaffung einer Fiskal- und Transferunion. Dies bedeutet unter anderem die Einführung von Eurobonds, also gemeinsamen Staatsanleihen für die gesamte Eurozone mit unbegrenzter Haftung aller Teilnehmer. Leistungsanreize für Effizienz bietet dieses System nicht. Die wirtschaftlich schwachen Mitgliedstaaten wären nicht mehr so angehalten, zu sparen. Wenn wir mit den Wachstumsmärkten in China, Brasilien und Indien künftig Schritt halten möchten, dann müssen wir den positiven Leistungsvergleich in den Mittelpunkt stellen. Daher führt diese zweite Option ebenfalls nicht zum Ziel.
Die dritte Möglichkeit, der einzig tragfähige Ansatz, ist Schaffung einer Stabilitätsunion. Hierbei müssen zuallererst die Ursachen der aktuellen Situation bekämpft werden. Zum einen die unzureichende oder falsche Regulierung der Finanzmärkte und zum anderen die starke Überschuldung der Staaten. Essentiell sind hierbei vor allem die Umsetzung und Überwachung der Einhaltung der Regulierung durch die Aufsichtsbehörden sowie eine konsequente Haushaltskonsolidierung. Diese muss jedoch angemessen gestaltet sein, um nötige Einsparungen zu tätigen, aber eine Rezession zu vermeiden. Womöglich muss die Haushaltskonsolidierung mit einer Schuldenrestrukturierung einhergehen, um weiter erfolgreich wirtschaften zu können. Die Antwort auf die aktuelle Krise ist an den richtigen Stellen mehr und nicht weniger Europa.
Dies gilt auch für unser Land. Deutschland profitiert von Europa und weiß seine Interessen durchzusetzen.
Die Mitgliedstaaten entscheiden in den Beitrittsverhandlungen selbst, wie viel Europa sie wollen. Dass ein Mitgliedstaat allerdings aus der EU austritt, geht nicht so ohne weiteres. Ein Mitgliedstaat kann auch nicht einfach herausgeschmissen werden. Das EU Recht sieht als höchste Strafe für ein Land einen zeitlich begrenzten Ausschluss vor. Die Mitgliedstaaten entscheiden, wie genau solch eine Suspendierung aussehen soll. Sie können zum Beispiel beschließen, bestimmte Rechte des betroffenen Landes für eine bestimmte Zeit auszusetzen. Dazu gehören auch die Stimmrechte des Landes im Ministerrat. Die Prozedur bis zu einem solchen Beschluss ist allerdings sehr langwierig und kompliziert.
Ein starkes Europa nützt langfristig allen Europäern. Eine Alternative zu Europa gibt es nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Britta Reimers