Sie reden gern viel von Demokratie und demokratischen Parteien. Warum verweigern Sie und Ihre Partei aber dann den Bürgern in diesem Land die Durchsetzung der Demokratie von unten nach oben?
Im Art. 20 Grundgesetzbuch Absatz 2 steht:
" Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt."
Und dort steht eindeutig "und Abstimmungen", nicht oder Abstimmungen.
Sie und Ihre Grünen lehnen aber genau diese Volksabstimmungen, auch nach Schweizer Vorbild, ab!
Sie favorisieren Ihren Bürgerrat, der bei weitem den Bürgern in diesem Land nicht die Möglichkeiten einer Volksabstimmung bietet. Da werden nur von etwa 150 bis 200 Bürgern Vorschläge zu Themen erarbeitet.
Und diese Themen werden auch noch von der Politik vorgegeben!
Aber entscheiden tut letztendlich wieder die Politik und nicht das Volk.
Mir Ihrer Ablehnung von Volksabstimmungen verweigern Sie den Bürgern ihr Recht nach Art. 20 GG Abs.2 diese durchzuführen, und nicht nur einmal bei Wahlen!
Mit welchem Recht verweigern Sie das?
Warum sollte ich Sie oder Ihre Partei da noch einmal wählen?
Sehr geehrter Herr C.,
vielen Dank für Ihre Frage. Frau Haßelmann hat uns gebeten, Ihnen zu antworten.
In einer repräsentativen Demokratie werden politische Entscheidungen und die Kontrolle der Regierung nicht unmittelbar vom Volk, sondern von der Volksvertretung ausgeübt. Das Volk entscheidet in regelmäßig stattfindenden Wahlen über die Volksvertreterinnen und Volksvertreter. Für Deutschland leitet sich diese Staatsform direkt aus dem Grundgesetz ab. In einer repräsentativen Demokratie können Politikerinnen und Politiker durch die Spezialisierung auf Politikfelder auf eine hohe Fachkompetenz zurückgreifen, um politische Probleme zu lösen.
Volksabstimmungen, die ein Element direkter Demokratie darstellen und auf die Sie sich beziehen, sind auf Bundesebene nur über die Neugliederung des Bundesgebietes, nicht aber über die Verfassung oder einzelne Gesetze möglich. Eine Volksgesetzgebung wäre nur nach einer Verfassungsänderung möglich, da die Regelungen des Gesetzgebungsverfahrens geändert werden müssten.
Mit möglichen Formaten von direkter Demokratie haben wir uns als Bündnis90/Die Grünen zuletzt intensiv auf dem Bundesparteitag 2020 befasst. Dabei haben wir die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes mit Blick auf Volksabstimmungen und andere Instrumente direkter Demokratie umfassend rechtlich geprüft und diskutiert. Am Ende sind wir zu dem Ergebnis gelangt, dass Bürgerräte ein verfassungsrechtlich zulässiges und praktisch gut geeignetes Format sind, die repräsentative parlamentarische Demokratie zu ergänzen.
Der erste durch den Deutschen Bundestag eingesetzte Bürgerrat hat zum Thema Ernährung getagt. Dies ist ein Thema, mit dem wir alle täglich befasst sind. Die Bürgerinnen und Bürger konnten ihr Alltagsfachwissen umfangreich in diesen Prozess einbringen. Die Medienberichterstattung, die Debatte im Plenum und die intensive Beratung der Vorschläge in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages haben gezeigt, dass sich Bürgerräte sehr gut als Bürgerbeteiligungsformat eignen. Ein großer Vorteil ist dabei, dass über die Bürgerräte auch Menschen erreicht werden, die sich üblicherweise nicht an den sonstigen Beteiligungsformaten beteiligen. Damit erhalten noch mehr Menschen die Möglichkeit, ihre eigenen Meinungen, Standpunkte und Expertise in den demokratischen Meinungsbildungsprozess einzubringen und wir belassen die letzte Entscheidung dennoch beim Parlament.
Mit besten Grüßen
Team Haßelmann