Frage an Britta Haßelmann von Kerstin K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Haßelmann,
wie stehen Sie dazu, dass Change.org die Anerkennung der Gemeinnützigkeit droht? Mir ist es wichtig, dass es solche Organisationen gibt, die, meiner Meinung nach, sehr wichtig dafür sind, den Willen des Volkes kund zu tun. Das ist doch Demokratie, oder? Ein demokratischer Staat sollte das unterstützen.
Es kann und darf doch nicht sein, dass die Wirtschaft ihre Lobbyarbeit von der Steuer absetzen kann und den Bürgern, die sich mit ihrer Meinung einbringen möchten und solche Organisationen wie z. B. Change.org unterstützen, diese Möglichkeit verwehrt bleibt. Das ist doch eine einseitige Unterstützung wirtschaftlicher Unternehmen. Werden Sie die Mitbestimmung der Bürger unterstützen?
Mit freundlichen Grüßen und voller Hoffnung
K. K.
Sehr geehrte Frau Koschnicke,
vielen Dank für ihre Nachricht.
Die Verunsicherung nach dem Urteil gegen „Attac“ und die Auswirkungen auf „Change.org“ waren groß. Die Zivilgesellschaft war verunsichert und zurecht empört. Zumal aus der Bundesregierung wenig Zuspruch für das gesellschaftliche Engagement dieser Plattformen kam. Die große Koalition scheint in diesem Fall ihre Leitlinien lediglich aus der Abgabenordnung und ihrer Erlasse zu ziehen, hat aber keinen Blick für die verfassungspolitische Ebene, wie die Mitbestimmung und Vereinigungsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger.
Es wird hier leider immer noch mit zweierlei Maß gemessen. Bei Berufs- und Wirtschaftsverbänden wird die tagespolitische Einflussnahme zugunsten der Mitglieder oder der jeweiligen Branche nicht hinterfragt, jedoch werden solchen Organisationen, unabhängig von ihrer tagespolitischen Aktivität, erhebliche Steuervorteile eingeräumt. Das Recht des Bürgers auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung gebietet es jedoch, Organisationen nicht steuerrechtlich unterschiedlich zu behandeln, je nachdem ob sie sich für die Interessen einer bestimmten Branche oder für ein allgemeines Ziel wie Klima- oder Datenschutz einsetzen.
Daher sollte die Bundesregierung darüber diskutieren, wie Rechtssicherheit für Organisationen wie den Bund der Steuerzahler oder auch Change.org geschaffen werden kann, die sich breit in politische Debatten einmischen, ohne dass man ihnen die parteipolitische Neutralität absprechen möchte. Weiterhin sollten Rechtsunsicherheiten für gemeinnützige Organisationen, durch eine Modernisierung des in die Jahre gekommenen Katalogs an förderfähigen Zwecken, gemäß der Abgabenordnung abgebaut werden.
Gerade in Zeiten, in denen die Zivilgesellschaft in aller Welt immer stärker unter den Druck gerät, wäre es richtig, dass Deutschland ein Signal des Vertrauens in die selbstbewusste, politische Öffentlichkeit sendet. Denn eine starke und selbstbewusste Bundesregierung, muss sich nicht vor dem Zusammenschluss von Bürgerinnen und Bürgern die ihre Meinung kundtun, fürchten. Vielmehr sollte es ein mehr an Transparenz und Mitwirkung des Gemeinwesens geben, um am demokratischen Streit mitzuwirken.
Mit freundlichen Grüßen
Britta Haßelmann