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Frage von Olaf S. •

Frage an Brigitte Zypries von Olaf S. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Zypries,

laut heise.de sollen Sie sich anlässlich der Verabschiedung des Gesetzentwurfs über die Internet-Sperren wie folgt geäußert haben: "Der Entwurf sehe daher vor, dass es für die Strafverfolger möglich sei, "in Echtzeit" direkt beim Provider auf die IP-Adressen der "Nutzer" des virtuellen Warnschilds zuzugreifen. Eine Strafbarkeit liege schon in dem Moment vor, wenn nicht nachgewiesen werden könne, dass es sich um ein Versehen oder eine automatische Weiterleitung gehandelt habe."

Daraus schließe ich, dass nach Ihrer Auffassung ein Aufruf der Sperrseite einen Anfangsverdacht für den Besitz oder die Beschaffung von Kinderpornographie begründet.. Ich kann dann auch keine andere Ermittlungsmethode erkennen, die prüft, ob es sich um ein Versehen oder eine automatische Weiterleitung handelt, außer der der Beschlagnahme und IT-forensischen Untersuchung des IT-Equipments, mit dem der Zugriff erfolgte.

Im Zusammenhang mit der Operation Himmel hat das LG Aachen festgestellt, dass selbst das willentliche Aufrufen einer Seite, die unter anderem auch KiPo-Material (als Miniübersichtsbilder) darstellt, keinen Anfangsverdacht begründet., der eine Hausdurchsuchung oder Beschlagnahme von IT-Equipment rechtfertigt.

Eine der beiden Auffassungen kann nicht richtig sein. Welche stimmt?

Müssen wir Internet-Nutzer in Zukunft z.B. Computerviren, Phishing-Mails und manipulierte Webseiten noch mehr fürchten als bisher, weil sie uns eine Hausdurchsuchung einbrocken können?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Schlüter,

nach § 184b Abs. 4 des Strafgesetzbuchs macht sich strafbar, wer es unternimmt, sich den Besitz von kinderpornographischen Schriften, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben, zu verschaffen. Der (versuchte) Zugriff auf eine Seite mit kinderpornographischem Material kann deshalb einen sogenannten Anfangsverdacht für eine solche Straftat begründen. Der Verdacht bedarf aber selbstverständlich der weiteren Abklärung. So kann sich der Verdacht etwa verstärken, wenn festgestellt wird, dass von dem jeweiligen Anschluss aus wiederholt versucht worden ist, entsprechende Seiten aufzurufen. Auf dieser Basis kann auch die von Ihnen erwähnte forensische Auswertung eines Computer wichtige Aufschlüsse geben.

Die von Ihnen angeführte Entscheidung des Landgerichts Aachen (Beschluss vom 8. Juli 2008, Az. 68 Qs 56/08) steht dem nicht entgegen. Das LG Aachen hat aufgrund der Umstände des konkreten Falles (Gesamtverweildauer von 45 Sekunden im Rahmen einer einzigen Internetverbindung, bei der Bilddateien lediglich in Form von Thumbnails heruntergeladen wurden) angenommen, dass es unwahrscheinlich sei, dass der Server mit kinderpornografischen Bildern gezielt aufgesucht wurde; wahrscheinlicher sei vielmehr, dass es zum Übersenden der Bilder nur durch Verlinkung mit anderen pornografischen Webseiten oder durch entsprechende Pop-Ups gekommen sei. Das LG Aachen hat deshalb einen Tatverdacht, der eine Durchsuchung bei dem Betroffenen hätte rechtfertigen können, verneint.

Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen ändert im Übrigen an den - schon bislang bestehenden - strafprozessualen Befugnissen nichts. Er stellt lediglich klar, dass die bei der Umsetzung der Sperren anfallenden Daten auch zu Strafverfolgungszwecken genutzt werden dürfen. Die von Ihnen befürchtete Möglichkeit, in Strafverfolgungsmaßnahmen einbezogen zu werden, wird daher nicht erst durch diesen Gesetzentwurf begründet. Vielmehr lässt sich dies weder im virtuellen noch im realen Leben stets vermeiden. Hier wie dort kann es aufgrund unglücklicher Umstände oder auch aufgrund einer vorsätzlich erhobenen falschen Verdächtigung passieren, dass ein Unschuldiger in den Verdacht gerät, eine Straftat begangen zu haben. Gerade deshalb obliegt es den Strafverfolgungsbehörden und Gerichten, einen solchen Verdacht sorgfältig zu überprüfen und zu hinterfragen. Dabei steht einem Verdächtigen bis zur rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung zur Seite.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries