Frage an Brigitte Zypries von Sebastian J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Zypries,
inzwischen hat Ihre Kabinettkollegin Frau von der Leyen erfolgreich einige überregionale Internetprovider dazu bewegt einen geheimen Vertrag zu unterzeichnen in welchen sich diese offensichtlich verpflichten ihrerseits in das DNS System einzugreifen und Anfragen an Internetseiten, die ,einer Sperrliste des BKA nach, kinderpornographisches Material enthalten, auf eine Stoppseite mit einem entsprechenden Hinweis umzuleiten.
Mir stellen sich in diesem Zusammenhang gleich mehrere Fragen:
Ein Eingriff in das DNS System ist, ungeachtet der verschwindend geringen Wirksamkeit, ein Eingriff der Zugang zu Informationen verhindern kann. Wie kann die Regierung das mit dem Zensurverbot von Art. 5 GG in Einklang bringen?
Die Liste wird offensichtlich vom BKA erstellt, an die Provider geschickt und soll geheim bleiben. Es wird an keiner Stelle von einem Richtervorbehalt oder einem parlamentarischen Kontrollgremium gesprochen, das in anderen Belangen, die nicht an die Öffentlichkeit gelangen dürfen, die Kontrolle übernähme. Da sich das BKA augenscheinlich an dieser Stelle selbst kontrolliert wird in meinen Augen Art. 20 GG (Gewaltenteilung) verletzt, da das BKA als Teil der Exekutive nicht zur Kontrolle berechtigt ist. Wie kann die Regierung diesen Angriff auf die demokratische Grundordnung dulden?
Zu guter Letzt ist der Vertrag geheim. Damit hat wieder ein Teil der Exekutive, in diesem Fall die Regierung vertreten durch Frau von der Leyen in ihrer Funktion als Bundesministerin, einen der Natur nach nicht kontrollierbaren Vorgang durchgeführt ohne sich vor irgendjemand rechtfertigen zu müssen. Hier stellt sich die gleiche Frage wie im letzten Absatz.
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Jaksch
Sehr geehrter Herr Jaksch,
wer in Deutschland Kinderpornographie ins Netz stellt, macht sich strafbar. Darin liegt keine Zensur im Sinne von Artikel 5 des Grundgesetzes. Zensur bedeutet nämlich, dass eine staatliche Behörde eine Veröffentlichung zulässt, aber ihren Inhalt beeinflusst und verändert. Dagegen wird beim Verbot der Kinderpornographie eine bestimmte Art von Veröffentlichung von vornherein gesetzlich ausgeschlossen. Das ist nach Artikel 5 des Grundgesetzes zulässig. Denn das strafrechtliche Verbot, Kinderpornographie zu verbreiten, hat allein den Zweck, Kinder vor Missbrauch zu schützen.
Ebensowenig ist der Grundsatz der Gewaltenteilung verletzt. Durch den Entwurf des Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen werden keine Befugnisse der Rechtsprechung oder der Gesetzgebung auf das BKA übertragen. Auch die Behauptung, dass die Liste bzw. die mit ihr verknüpften Rechtsfolgen nicht gerichtlich überprüft werden könnten, ist unzutreffend.
Sobald ein Zugriff auf eine gesperrte Seite versucht wird, ist für den Nutzer - und damit für jedermann - am Stoppschild erkennbar, dass sie auf der Liste steht. Internetanbieter haben außerdem das Recht, eine Auskunft vom BKA zu erhalten, ob und wann ein Angebot auf der Liste stand. Und dann kann jedermann Klage erheben - Art. 19 IV GG garantiert das, in den Prozeßordnungen ist dieses Recht ausformuliert. Die Gründe für die Nichtveröffentlichung der Liste in ihrer Gesamtheit liegen auf der Hand. Würde die Liste veröffentlicht, würde potentiellen Tätern eine Informationsquelle an die Hand gegeben, wo sie am schnellsten zu kinderpornographischem Material gelangen. Besonders für Täter im Ausland wäre dies ein gefundenes Fressen. Denn durch das kommende Gesetz kann nur der Zugriff aus Deutschland verhindert werden. Würden die Anbieter vorab informiert, würde eine nicht zu akzeptierende Zeit verstreichen zwischen dem Erkennen und dem Sperren solcher Angebote. Da die Liste täglich aktualisiert wird, wäre zudem bei einer versehentlichen Sperrung einer Seite, die kein kinderpornographisches Material enthält, eine sofortige Korrektur möglich. Die Sperrmeldung enthält Angaben, wie der Nutzer - oder gegebenenfalls der Betreiber der Seite - das BKA kontaktieren und eine zu Unrecht gesperrte Seite melden kann.
Ich habe den Vertragsschluss immer kritisiert und stattdessen eine gesetzliche Grundlage gefordert. Denn natürlich handelt es sich um einen Eingriff in Grundrechte aller Internetnutzer. Ein solches Gesetz ist jetzt in der parlamentarischen Beratung, der von Frau von der Leyen ausgehandelte Vertrag wird deshalb aller Voraussicht nach gar nicht zum Tragen kommen.
Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries