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Frage von Grigori G. •

Frage an Brigitte Zypries von Grigori G. bezüglich Recht

Sehr geehrte Bundesjustizministerin Frau Zypries,

ich möchte gern von Ihnen erfahren, wie verantwortungsvoll die Gerichte mit der Bewilligung der Prozesskostenhilfe umgehen und ob §124 ZPO, Aufhebung der Bewilligung, angewendet wird.

Mein Interesse ist von praktischer Natur, da ich wiederholt erlebe, wie das Steuergeld vom Gericht verpulvert wird.

Die Situation welche ich meine, ist einfach: Eine Streitpartei ist durch die von ihr gemachten wahrheitswidrige Aussagen schuld daran, dass ein (familienrechtliches) Gerichtsverfahren angestrengt wird (mutwillig nach §114 ZPO).

Diese Partei bekommt die PKH bewilligt.

Im Laufe des Verfahrens stellt das Gericht fest, dass diese Streitpartei bewusst die wahrheitswidrige Aussagen macht (Wahrheitspflicht-verletzung nach §138 ZPO) und entscheidet gegen diese Streitpartei.

Meine Frage: Warum das Gericht die bewilligte PKH von der schuldigen Streitpartei nicht zurückfordert (Aufhebung der Bewilligung nach §124 ZPO)?

Für Ihre Aufklärung wäre ich Ihnen sehr dankbar.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Gurewitsch,

nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat der Gesetzgeber dafür Sorge zu tragen, dass auch die unbemittelte Partei in die Lage versetzt wird, ihre Belange in einer dem Gleichheitsgebot gemäßen Weise im Rechtsstreit geltend zu machen. Der Gesetzgeber hat diese Anforderungen mit den Regelungen über die Prozesskostenhilfe in den §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) umgesetzt.

Der Anspruch der einzelnen bedürftigen Partei auf Prozesskostenhilfe ist in Einklang zu bringen mit dem Interesse der Allgemeinheit daran, dass die für die Prozesskostenhilfe zur Verfügung stehenden Mittel nicht missbräuchlich in Anspruch genommen werden. Die Regelungen über die Prozesskostenhilfe in der Zivilprozessordnung stellen dies ausreichend sicher. Zunächst ermöglichen sie bereits bei Antragstellung eine möglichst genaue Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen (§§ 117 Abs. 2, 118 Abs. 2 ZPO). Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann aber auch nachträglich aufgehoben werden (§ 124 ZPO).

Diese Aufhebung ist jedoch nur in einem eng begrenzten Rahmen möglich. Sie bedeutet stets einen Eingriff in den sozialstaatlich geschützten Besitzstand des Antragstellers. Eine Aufhebung ist daher nur bei Vorliegen eines der in § 124 ZPO genannten Aufhebungsgründe möglich: unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses; absichtliche oder grob nachlässige unrichtige Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse; Nichtabgabe einer Erklärung darüber, ob eine Veränderung der Verhältnisse vorliegt, wenn dies vom Gericht verlangt wurde; Fehlen der persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen bei Bewilligung; Zahlungsrückstand. Liegt eine dieser Voraussetzungen vor, so ist das Gericht nicht in jedem Fall zur Aufhebung verpflichtet. Um einen angemessenen Ausgleich zwischen dem schutzbedürftigen Interesse des Einzelnen an der Ermöglichung der Prozessführung und dem Interesse der Allgemeinheit an der Verhinderung von Missbrauch zu schaffen, hat der Gesetzgeber die Entscheidung über die Aufhebung in das pflichtgemäß auszuübende Ermessen des Gerichts gestellt. Das Gericht hat bei seiner Entscheidung daher stets die Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen. Insbesondere sind dies die Schwere des Verstoßes, ein Verschulden der Partei und der Grad des Verschuldens, Dispositionen, die in schutzwürdigem Vertrauen auf den Bestand der Entscheidung vorgenommen wurden sowie jede sonstige Härte, die die Aufhebungsentscheidung für die Partei bedeutet.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries