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Frage von Julian B. •

Frage an Brigitte Zypries von Julian B. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Ministerin,

Laut Wikipedia ist Teil des Aufgabenspektrums Ihres Ministeriums die "Fortentwicklung des Rechtsstaats" (http://de.wikipedia.org/wiki/Bundesjustizminister).

In diesem Sinne möchte ich Sie fragen, wieso die deutsche Rechtssprechung noch immer die Natur des Internets verkennt und in kleinkarierter und bürokratischer Art Rechtsvorschriften in gefährlicher Art und Weise auf das Internet anwenden, bis bald kein Deutscher mehr ins Internet gehen kann, weil er Angst vor Strafe haben muss.

Ich möchte ein aktuelles Beispiel anführen, das allerdings kein Einzelfall ist. Ich bin mir im klaren darüber, dass Sie auf das Urteil keinen Einfluss haben, es soll aber ja, wie gesagt, auch nur zur Illustration dienen.

Das LG Karlsruhe hat am 23. März dieses Jahres die Beschwerde eines Beklagten gegen einen Durchsuchungsbeschluss des AG Pforzheim verworfen. Soweit nichts besonderes. Wenn wir nun aber einen Blick in die Urteilsbegründung werfen, kann man dort eine Passage lesen, die sich wie folgt interpretieren lässt:
Jede Website, die auf eine Website verlinkt, die auf eine Website verlinkt, [...], die auf eine Website mit strafrechtlich relevantem Inhalt verlinkt macht sich strafbar. - Hurra! (Einen Beitrag, sowie einen Link zur Urteilsbegründung finden Sie unter http://www.internet-law.de/2009/03/lg-karlsruhe-durchsuchung-wegen.html)
Wann wird der deutschen Rechtssprechung bewusst, dass das www NUR aus VErlinkungen besteht? Im Prinzip ist jede Website über irgendwelche Ecken mit jeder Website verlinkt - also macht sich jeder Websitebetreiben von vorneherein strafbar?

Das ist nur ein Beispiel für die verquere Internet-Rechtssprechung der deutschen Gerichte!
Wann bringen sie die Rechtssprechung auf Vordermann? Wann wird ein Gesetz verabschiedet, dass der außerordentlichen Natur des Internets gerecht wird und den Gerichten eine Basis für eine vernunftbegabte Rechtssprechung gibt? Der Rechtsstaat muss sich dem neuen Zeitalter anpassen, nicht umgekehrt!

Viele Grüße

Portrait von Brigitte Zypries
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Bayer,

Ihre pauschale und neben der Sache liegende Kritik an der Rechtsprechung in Deutschland teile ich weder im Allgemeinen noch in dem von Ihnen in Bezug genommenen Fall.

Wenn Sie die von Ihnen zitierte landgerichtliche Entscheidung gründlich lesen, werden Sie feststellen, dass das Gericht von dem Verdacht einer Teilnahme (Beihilfe) zu dem nach §184b Abs. 1 Nr. 2 des Strafgesetzbuchs strafbaren Zugänglichmachen kinderpornographischer Schriften ausgegangen ist. Wer einen Link setzt, der auf eine Seite mit kinderpronographischem Material verweist, hilft beim Zugänglichmachen und kann sich deshalb der Beihilfe zum Zugänglichmachen strafbar machen. Entsprechendes gilt, wenn der Link auf eine Seite verweist, die ihrerseits einen Link auf eine Seite mit kinderpronographischem Material enthält u.s.w. Voraussetzung ist aber jeweils, und darauf weist das Gericht ausdrücklich und mehrfach hin, dass sich der Linksetzer die strafrechtlich relevanten Inhalte in ausreichender Form zu eigen macht. Denn jeder Gehilfe muss vorsätzlich handeln und zwar sowohl hinsichtlich seiner eigenen Unterstützungshandlung als auch im Hinblick auf die Tat, die er dadurch fördert.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries