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Frage von Tobias N. •

Frage an Brigitte Zypries von Tobias N. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Zypries,

mit großem Interesse verfolge ich den "Abmahnwahn" der Musikindustrie und die Entwicklungen der Vorratsdatenspeicherung.
So bin ich bei meinen Recherchen auch auf die Frage des Hr. Fell vom 11.01.09 gestossen zur Deckelung der Anwaltsgebühren.
Nach § 97a Abs. 2 UrhG bedarf es zur Wirksamkeit der Deckelung einer "Rechtverletzung ausserhalb des geschäftlichen Verkehrs".
Wo aber ist definiert, was "geschäftlicher Verkehr" bedeutet?
In der von Ihnen angegebenen Quelle sind nur Beispiele genannt, keine Definitionen.

Ist der "gewerbliche Verkehr" mit dem Begriff "Gewerbsmäßigkeit" in § 108 a UrhG gleichzusetzen?

Wer entscheidet ohne eine Definition, was unter "geschäftlichem Verkehr" zu verstehen ist?
Ist geschäftliches nicht auch immer mit einer Gewinnerzielungsabsicht verbunden? Das würde wieder für §108a sprechen.

Ist z.B. der Download eines einzige Liedes über eine Tauschbörse bereits "geschäftlich"? Ein Gewinn wird hier sicherlich nicht erzielt. Oder ist ein solcher Fall mit dem Beispiel des veröffentlichen Liedtextes gleichzusetzen?

Und wieso wird überhaupt unterschieden zwischen "gewerblichem Ausmaß" und "geschäftlichem Verkehr"? Beide Ausführungen sollen doch dazu dienen, die Schwere einer Rechtverletzung und die damit verbundene Vorgehens-/Urteilsweise zu definieren. Wieso gibt es hier also zwei unterschiedliche Begrifflichkeiten?

Sicherlich ist ein Gesetz als abstrakt-generelle Regelung zu verstehen. Darüber hinaus gibt es aber doch immer wieder Interpretationsvorgaben wie z.B. in der Beschlussempfehlung des deutschen Bundestages, die Sie selbst zitieren, zum Thema "gewerbliches Ausmaß" (vollständiger Kinofilm, ein Musikalbum oder ein Hörbuch).
Hier wäre es allerdings auch sinnvoll, Beispiele vorzugeben, in denen eben nicht das "gewerbliche Ausmaß" erreicht ist (z.B. nur Ausschnitte aus einem Hörbuch oder einem Kinofilm oder ein Song aus einem Album o.ä.)

Ich würde mich freuen, wenn Sie mir diese Unklarheiten erläutern könnten.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Nehme,

wie Sie zutreffend ausführen, ist der Begriff „außerhalb des geschäftlichen Verkehrs“ in § 97a Absatz 2 UrhG durch das Gesetz nicht definiert. Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages (BT-Drs. 16/8783, S. 50) hat aber Ausführungen dazu gemacht, welche Fallgestaltungen typischerweise von der Regelung erfasst seien sollen. Hierzu möchte ich auf meine Antwort vom 19. Januar 2009 an Herrn Fell auf dieser Plattform verweisen. Dass der § 97a Absatz 2 UrhG selbst keine Beispiele enthält, entspricht der üblichen und bewährten Technik der Gesetzgebung. Nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung erlässt der Gesetzgeber abstrakt generelle Regelungen. Die Anwendung der Normen im konkreten Einzelfall ist Aufgabe der Rechtsprechung. Dementsprechend ist auch auf eine Definition des Begriffs „außerhalb des geschäftlichen Verkehrs“ verzichtet worden.

Mit § 101 Absatz 1 UrhG hat der deutsche Gesetzgeber die Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums umgesetzt. Der Begriff „in gewerblichem Ausmaß“ war durch die Richtlinie vorgegeben. Auch dieser Begriff ist im Gesetz nicht definiert. Allerdings findet sich in §101 Absatz 1 Satz 2 Urheberrechtsgesetz der Hinweis, dass sich das gewerbliche Ausmaß sowohl aus der Anzahl der Rechtsverletzungen als auch aus der Schwere der Rechtsverletzung ergeben kann. In der Beschlussempfehlung hat der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages (BT-Drs. 16/8783, S. 50) auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass „gewerbliches Ausmaß“ bereits dann bejaht werden könne, wenn eine besonders umfangreiche Datei, wie ein vollständiger Kinofilm oder ein Musikalbum oder Hörbuch, vor oder unmittelbar nach ihrer Veröffentlichung in Deutschland widerrechtlich im Internet öffentlich zugänglich gemacht werde. Im Übrigen ist es Aufgabe der Rechtsprechung die Norm im Einzelfall anzuwenden.

Die Regelung des § 108a UrhG stammt aus dem Jahr 1985 und stellt einen strafrechtlichen Qualifikationstatbestand dar. Den Begriff der „Gewerbsmäßigkeit“ im strafrechtlichen Sinne hat der Bundesgerichtshof bereits mit Urteil vom 8. November 1951 definiert (BGHSt 1, 383). Durch die Verwendung des Begriffes „Gewerbsmäßigkeit“ hat der Gesetzgeber an diese Rechtsprechung anknüpfen können.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries