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Frage von Thomas S. •

Frage an Brigitte Zypries von Thomas S. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Zypries,

meine Frage bezieht sich auf die Einkommens-Fiktion beim Unterhaltsrecht.

Ich bin 2-facher Unterhaltszahler (Kinder 5 und 2 Jahre). Monatliches Netto 1.050 Euro.

Das Gericht hat mich per angenommener Einkommens-Fiktion in Unterhaltszahlungen i.H.v. 100 % des Regelsatzes "gepresst".
..Entweder Sie zahlen freiwillig, oder sie werden verurteilt.

1. Für mich völlig unnachvollziehbar sind zum einen der Pfändungsfreie Betrag i.H.v. 890 Euro und

2. Der Sozialhilfesatz i.H.v. 750 Euro

Ist es tatsächlich von Gerichtswegen so gewollt, ein Loch zu stopfen um damit ein anderes Loch aufzureissen? Hierbei handelt es sich meiner Meinung nach nur um die Umverteilung auf andere Kostenstellen.
Durch diese Verurteilung werde ich zum wirtschaftlichen Sozialfall. Darf jemand zu so viel Unterhalt verurteilt werden, dass er selbst ein Sozialfall wird?
Es wurde ein Vergleich geschlossen, dem ich mehr oder weniger durch Zwang der Richterin zustimmen musste.
Ich bin Vollzeitig Berufstätig und mein AG untersagt mir eine Nebentätigkeit. Weiterhin kann es mir nicht zugemutet werden, mein unbefristetes Arbeitsverhältnis leichtfertig für ein eventuell befristetes AV aufzugeben.

Nun bin ich auf der wirtschaftlichen Sozialfallschiene und mein notwendiger Selbstbehalt wurde bei weitem unterschritten.
Wie beurteilen Sie diese Situation?

Stellen Sie sich vor, Sie würden durch diese Fiktion von 600 Euro leben müssen.
Wie würden Sie sicherstellen, sich morgen noch etwas zu essen kaufen zu können, geschweige denn Kleider oder die Fahrt zur Arbeit?

Ich finde diese leichtfertige Aburteilung Menschenunwürdig und nicht wirtschaftlich angepasst.
Der Kindsvater wird so als faule Unperson abgehandelt und bleibt auf der Strecke.
Die KM übrigens arbeitet auf 400 Euro Basis, wohnt mietfrei, bekommt 2 x Kindergeld, Unterhalt (der selbstverständlich für die Kinder ist) usw....

Wenn ich arbeitslos wäre, würde mir so mehr zum Leben bleiben.
Wo bleibt hier die Demokratie?

Es grüsst Sie

Thomas Schäflein

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Schäflein,

bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich das von Ihnen geschilderte Gerichtsverfahren nicht bewerten kann. Ich möchte jedoch ganz allgemein Folgendes anmerken:

Unterhaltsverpflichtungen dürfen selbstverständlich nicht dazu führen, dass der in Anspruch Genommene selbst nicht mehr genug für seinen eigenen Lebensunterhalt hat und als Folge dessen sozialhilfebedürftig wird. Deshalb wird bei der Unterhaltsbemessung geprüft, ob der Unterhaltspflichtige in der Lage ist, den beanspruchten Unterhalt zu zahlen oder ob dieser die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen übersteigt. Dabei wird in der Tat nicht nur auf das tatsächliche Einkommen des Unterhaltspflichtigen abgestellt. Maßgeblich ist vielmehr, welche Einkünfte er mit gutem Willen erzielen könnte. Anderenfalls könnte der Unterhaltspflichtige sein Einkommen - beispielsweise durch geringere Arbeitszeiten - und damit auch den Kindesunterhalt nach Belieben reduzieren.

Vor diesem Hintergrund ist es sachgerecht, dem Unterhaltspflichtigen fiktive Einkünfte zuzurechnen, wenn er ihm mögliche und zumutbare Einkünfte nicht erzielt. Die Erwerbsanforderungen sind beim Unterhalt minderjähriger Kinder naturgemäß besonders streng. Dennoch sind den Gerichten Grenzen gesetzt, was durch die höchtsrichterliche Rechtsprechung gerade in jüngster Zeit mehrfach betont wurde. So kommt die Zurechnung von Nebeneinkünften unter anderem nur in Betracht, wenn der Aufnahme einer solchen Tätigkeit keine rechtlichen Hindernisse entgegenstehen. Hierbei kann auch eine erforderliche Genehmigung des Arbeitgebers eine Rolle spielen.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries