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Frage von Andrea D. •

Frage an Brigitte Zypries von Andrea D. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrte Frau Zypries,
im Vertragsrecht wird unterschieden zwischen Werkverträgen und Dienstverträgen. Dienstverträge sehen vor, dass nach erbrachter Leistung die vereinbarte Gegenleistung fällig wird, unabhängig vom Erfolg der erbrachten Leistung. Einfach ist es bei Werkverträgen: fahre ich meinen Pkw mit einem Defekt in die Werkstatt und der Fehler wurde nicht behoben, so ist keine Gegenleistung, nämlich Bezahlung fällig.
Anders bei medizinischen oder juristischen Dienstleistungen: auch mangelhafte Leistungen sind zu bezahlen, der Mangel ist juristisch einwandfrei nachzuweisen und eine eigenständige Klage auf Schadensersatz notwendig - für Verbraucher kaum machbar. Selbst Rechtschutzversicherte müssen erst der Versicherung auf eigene Kosten nachweisen, dass eine mangelhafte Leistung erbracht wurde und ein Schaden entstand. Hinzu kommt, dass durch die Gebührenordnung für Rechtsanwälte bei relativ niedrigen Streitwerten kaum Rechtsrat zu bekommen ist, es sei denn, es wird eine eigene Honorarvereinbarung unterzeichnet. Die dann wiederum dem Dienstleistungsrecht unterliegt und mangelhaft erbracht werden kann.
Frage: wo bleibt der Wettbewerb? Wie kann der Verbraucher sicherstellen, dass er eine mangelfreie Leistung von einem qualifizierten, engagierten Dienstleister bekommt? Denn Arzt- und Anwaltsleistungen werden nicht leistungsbezogen, sondern "produktbezogen" verkauft: nicht die Heilung, sondern das medizinische Verfahren, nicht die juristische Aufarbeitung, sondern die Beratung. Letztendlich kauft der Kunde "die Katze im Sack", da anderes als im Konsumbereich die Leistungsfähigkeit des Dienstleisters vor Vertragsabschluss nicht erkennbar ist.
Vielen Dank für die Beantwortung der Frage!
Schöne Grüße
Andrea Diehl

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Diehl,

es stimmt, dass bei Dienstverträgen kein konkreter Erfolg geschuldet wird. Das liegt daran, dass die Gegenstände eines Dienstvertrages von dem Dienstleistenden typischerweise nicht vollständig beherrscht werden können. Kein seriöser Arzt kann dem Patienten garantieren, dass er wieder gesund wird; kein seriöser Rechtsanwalt kann seinem Mandanten garantieren, dass er seinen Prozess gewinnen wird. Deshalb kann er auch nicht in jedem Fall haftbar gemacht werden, wenn der gewünschte Erfolg ausbleibt. Allerdings bedeutet das nicht, dass der Dienstleistende tun und lassen kann, was er will. Er ist verpflichtet, seine Dienstleistung gemäß den vertraglichen Vereinbarungen mit der notwendigen Sorgfalt auszuführen und dabei die Interessen seines Auftraggebers angemessen zu berücksichtigen. Wenn er die zugesagten Dienste nicht vereinbarungsgemäß erbringt und seinem Auftraggeber dadurch ein Schaden entsteht, so ist er nach § 280 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zum Ersatz dieses Schadens verpflichtet. Das Gleiche gilt, wenn der Dienstleistende bei seiner Tätigkeit nicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt wahrt. Die Beteiligten können auch besondere vertragliche Vereinbarungen treffen, beispielsweise eine Vertragsstrafe für den Fall der Schlechtleistung vereinbaren.

Soweit Sie meinen, dass es schwierig sei, Rechtsrat in Angelegenheiten mit niedrigem Streitwert zu bekommen, möchte ich auf Folgendes hinweisen: Für die außergerichtliche Beratung schreibt das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) keine bestimmte Vergütung vor. Der Rechtsanwalt muss sich also grundsätzlich mit seinem Mandanten über das Honorar einigen. Nur wenn keine Einigung zustande kommt, gelten nach § 34 Abs. 1 Satz 3 RVG – soweit der Mandant Verbraucher ist – bestimmte Höchstgrenzen. Diese Grenzen hängen aber nicht vom Streitwert ab, sondern gelten für hohe und niedrige Werte in gleicher Weise. Soll der Rechtsanwalt den Mandanten nicht nur beraten, sondern außergerichtlich oder gerichtlich vertreten, schreibt das RVG bestimmte Gebühren vor, die anhand einer Tabelle nach dem Streitwert zu berechnen sind. Dabei handelt es sich aber nur um Mindestgebühren, die – wie Sie selbst sagen – durch eine Honorarvereinbarung überschritten werden dürfen. Wenn der Mandant keinen Rechtsanwalt findet, der seine Sache vertritt, liegt das also jedenfalls nicht an den gesetzlichen Vergütungsregelungen. Es mag sein, dass Rechtsanwälte bei komplizierten Fällen mit niedrigem Streitwert besonders oft auf eine Honorarvereinbarung drängen. Dagegen wäre aus meiner Sicht aber auch nichts einzuwenden. Rechtsanwälte sind Freiberufler, die auch unternehmerisch denken müssen, um ihre Existenz nicht zu gefährden. Wenn sich der Rechtsanwalt mit großem Aufwand in einen schwierigen Fall einarbeitet, muss dies bei der Bemessung der Vergütung angemessen berücksichtigt werden können.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries