Portrait von Brigitte Zypries
Brigitte Zypries
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Brigitte Zypries zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Dirk S. •

Frage an Brigitte Zypries von Dirk S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Zypries,

Mit Interesse las ich Ihre Antwort auf die Frage von Herrn Schmidt bezüglich eines Frauenrabatts vor deutschen Gerichten. Leider gibt es ein paar statistische Fakten, die mit Ihrer optimistischen Antwort nicht ganz in Einklang zu bringen sind. So liegt der Frauenanteil bei den Tatverdächtigen in der PKS bei rund 23 Prozent. Selbst wenn man leichtere Straftaten mit hohem Frauenanteil herausrechnet, bleibt ein Frauenanteil zwischen 16 und 18 Prozent (je nachdem wie viele man herausrechnet). Nun wird natürlich nicht jeder Tatverdächtige verurteilt. Bei einer geschlechtsneutralen Justiz sollte das Verhältnis aus Tatverdächtigen zu Verurteilten jedoch bei Frauen und Männern gleich sein. Dennoch sind nicht einmal 5 Prozent der Gefängnisinsassen Frauen. Wie erklären Sie sich diese Diskrepanz? Könnte es nicht vielleicht doch sein, dass der ehemalige Richter die Wahrheit ausspricht (weil er nun keine Konsequenzen mehr zu erwarten hat) und ein Frauenbonus an deutschen Gerichten verteilt wird?

Mit freundlichen Grüßen
Dirk Schubert

Portrait von Brigitte Zypries
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Schubert,

die Frage, ob die Strafjustiz in ihrem Strafverfolgungsverhalten und in ihrer Strafzumessung Frauen bevorzugt, wird in der kriminologischen Wissenschaft immer wieder streitig diskutiert. Dieser Umstand zeigt bereits, dass die vorliegenden Statistiken, insbesondere die vom Statistischen Bundesamt jährlich herausgegebene Ergebnisse der Strafverfolgungsstatistik und der Strafvollzugsstatistik, auch im Vergleich mit den Angaben in der Polizeilichen Kriminalistatistik, letztlich keinen Beleg für eine Bevorzugung erbringen können.

Jedenfalls ist bei einem Vergleich der jeweiligen weiblichen Prozentanteile bei polizeilich ermittelten Tatverdächtigen, Verurteilten (etwa zu Freiheitsstrafe) und Gefangenen das wissenschaftlich und statistisch belegte Faktum zu berücksichtigen, dass Frauen im Durchschnitt weniger oder seltener schwere Straftaten begehen. Das allein hat schon zur Folge, dass der Anteil von schwerer sanktionierten Personen und der Anteil der weiblichen Gefangenen geringer ist als der jeweilige Anteil der Männer. Der unter Mitwirkung von Wissenschaftlern erstellte und vom Bundesministerium des Innern und vom Bundesministerium der Justiz herausgegebene "Zweite Periodische Sicherheitsbericht" (Berlin 2006) kommt sogar zu folgender zusammenfassenden Würdigung dieser Frage (S. 33): "Die unterschiedliche justizielle Behandlung (gemeint ist: wie sie sich aus den Statistiken ergeben könnte) ist deshalb wohl nur eine scheinbare. Denn bei Kontrolle von Deliktart, Deliktschwere und Vorstrafenbelastung verschwinden die Unterschiede bzw. werden nahezu bedeutungslos. " Von daher spricht nichts für einen systematischen "Frauenbonus" der deutschen Justiz.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries