Frage an Brigitte Zypries von Tanja G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Zypries,
am 12.2. erwähnten Sie in Abgeordnetenwatch das Fehlen einer Vernichtungspolitik im Antisemitismus des berühmten Historikers Treitschke.
Sie sprachen sich für eine Diskussion darüber aus, ob dieser Mann mit Straßennamen geehrt werden sollte.
Ein noch berühmterer Deutscher und wesentlich schlimmerer Antisemit schrieb laut Wikipedia ("Martin Luther und die Juden" ):
Wenn ich könnte, würde ich den Juden niederstrecken und in meinem Zorn mit dem Schwert durchbohren".
Konsequenterweise müßten Sie dagegen sein, daß es in Deutschland (Beispiel: Weimar) "Martin-Luther-Straßen" gibt. Ist das so?
Mit freundlichen Grüßen
Tanja Großmann
Sehr geehrte Frau Großmann,
Sie sprechen in Ihrer Frage nach den antijüdischen Äußerungen von Martin Luther eine allgemeine Problematik an. Vom Antijudaismus waren fast alle Gesellschaftsschichten der westeuropäischen Länder vom Mittelalter bis in die Neuzeit hinein durchdrungen. Antijüdische Äußerungen findet man daher in zahlreichen Werken angesehener Philosophen und Theologen des europäischen Mittelalters und der frühen Neuzeit. Das ist Teil unserer christlich geprägten Geistesgeschichte und lässt sich nicht so einfach ausklammern. Im Übrigen gilt auch hier, dass Martin Luthers antijüdische Äußerungen theologisch und nicht rassenideologisch motiviert waren und daher nicht auf eine Vernichtungspolitik (im Sinne einer Vernichtung der Juden als Rasse) abzielten.
Im Übrigen habe ich mich - wie sie ganz richtig zitiert haben - für eine Diskussion über die Benennung von Straßen zu Ehren von Herrn Treitschke ausgesprochen, nicht für deren Umbenennung. Denn es handelt sich dabei um eine Entscheidung, die weder in meinem Aufgaben- noch Kompetenzbereich liegt.
Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries