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Frage von Carsten S. •

Frage an Brigitte Zypries von Carsten S. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Zypries,

die Schweiz, bisher sogar noch etwas rückständiger als Deutschland in Sachen Sorgerecht, hat grundlegende Änderungen zum Sorge-/Besuchsrecht verheirateter und lediger Väter auf den Weg gebracht:

http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Gemeinsames-Sorgerecht-soll-zur-Regel-werden/story/24724604

Quasi von ganz hinten in Europa (ein gem. Sorgerecht im Falle einer Scheidung war nicht die Regel) stellt die Schweiz nun um und will sogar unverheirateten Vätern das gem. Sorgerecht mit einer freiwilligen Vaterschaftsanerkennung einräumen.

Und die Schweiz setzt noch einen drauf: Vereitelung des Besuchsrechts wird mit Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren bedroht.

Damit stellt sich die Schweiz nun an die Spitze und kriminalisiert das, was immer schon Unrecht war – das Vorenthalten des gemeinsamen Kindes.

Können Sie sich vorstellen, dass allein die willkürliche Verkürzung des Umgangs von nur einem Tag in der Wahrnehmung eines Umgangselternteils weit schlimmer wiegt als ein Taschendiebstahl? Davor kann man sich wenigstens schützen.

Sorgerechtlich steht Deutschland damit europaweit nur noch mit so bedeutenden Ländern wie Österreich und Liechtenstein auf einer Stufe.

Finden Sie nicht, dass es an der Zeit ist, umgehend den menschenrechtswidrigen Zustand gerade unverheirateter Väter in Deutschland zu beenden?

Wollen Sie tatsächlich noch die Studie zu § 1626a abwarten, die ohnehin mit dem Ende der Wahlperiode zusammenfällt - und damit angesichts der höchstwahrscheinlichen Nichtbeteiligung Ihrer Partei an der neuen Regierung nur in irgendwelchen Schubladen landet?

Oder wollen Sie standhaft bleiben, und eine neue Entscheidung gegen Deutschland durch den EuGHMR abwarten, die dann wieder von den Gerichten ignoriert wird, wie schon der Fall Görgülü bewies?

Ist das der wahre Gedanke zu Europa: Menschenrechte werden nur im Rahmen der nationalen Gesetze gewährleistet? Bei Fragen wenden Sie sich an ihren OLG- oder Familienrichter…

Mit freundlichen Grüßen

Carsten Siebert

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Siebert,

dem Gesetzgeber sind die Probleme in der Praxis des Umgangsrechts bekannt. Daher kommt es zu Neuregelungen im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG), das am 1. September 2009 in Kraft treten wird. Die wesentlichen Änderungen möchte ich Ihnen kurz darstellen:

Zum einen wird die Vollstreckbarkeit von Umgangsentscheidungen erweitert; das Gericht kann künftig Ordnungsmittel verhängen, die noch nach dem festgelegten Umgangstermin festgesetzt und vollstreckt werden können. Zum anderen kann ein Umgangspfleger bestellt werden; er soll bei schwierigen Umgangskonflikten einen Kontaktabbruch verhindern. Schließlich kann das Kind in schwierigen Fällen einen Verfahrensbeistand bestellen; er kann auf Anordnung des Gerichtes u.a. eine aktive Rolle im Konflikt übernehmen und zu einer einvernehmlichen Umgangsregelung - etwa durch Gespräche mit den Eltern - beitragen.

Unter den Voraussetzungen des § 235 Strafgesetzbuch (StGB) ist das Umgangsrecht strafrechtlich geschützt. Bestraft wird, wer eine Person unter 18 Jahren mit Gewalt, durch Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List den Eltern oder einem Elternteil entzieht oder vorenthält. Eine solche Tat kann auch von einem Elternteil gegen den anderen umgangsberechtigten Elternteil begangen werden. Die Tat kann mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe geahndet werden.

Es ist derzeit nicht einschätzbar, ob weitere Straftatbestände eingeführt werden müssen. Auswirkungen solcher Strafnormen auf das Verhältnis des Kindes zu beiden Elternteilen wären noch zu klären. Ein Kind, das sich nach der Trennung seiner Eltern oft in einem Loyalitätskonflikt befindet, soll nicht noch zusätzlich belastet werden.

Das Bundesministerium der Justiz nimmt die Kritik an der Regelung des Sorgerechts nicht miteinander verheirateter Eltern ernst. Ich halte es aber nicht für sinnvoll, eine Gesetzesänderung ohne fundierte Grundlage herbeizuführen. Eine der Annahmen des Gesetzgebers war, dass eine Mutter, die mit dem Kindesvater zusammenlebt und trotzdem keine Sorgeerklärung abgibt, dafür schwerwiegende Kindeswohlgründe hat. Vor allem diese Annahme will das Bundesministerium der Justiz durch das von Ihnen erwähnte Forschungsvorhaben überprüfen. Geklärt werden soll, warum zusammenlebende, nicht miteinander verheiratete Eltern keine gemeinsame Sorge begründen. Dabei behält das Bundesministerium der Justiz auch andere Rechtsordnungen im Auge.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries