Portrait von Brigitte Zypries
Brigitte Zypries
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Brigitte Zypries zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Karl-Heinz E. •

Frage an Brigitte Zypries von Karl-Heinz E. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Zypries,

dürfen Mitglieder von Kollegialgerichten ungestraft Rechtsbeugung begehen?

Die Staatsanwaltschaft Naumburg klagte letztes Jahr drei OLG-Richter wegen Rechtsbeugung an. Die Eröffnung des Strafverfahrens wurde in letzter Instanz abgelehnt, worüber dasselbe Gericht (OLG Naumburg) entschied, an dem die Rechtsbeugung mutmaßlich begangen wurde. Das OLG beruft sich zur Begründung seines Beschlusses darauf, dass beim Vorwurf der Rechtsbeugung für jedes einzelne Mitglied eines Spruchkörpers der Nachweis erforderlich sei das es für die inkriminierte Entscheidung gestimmt habe. Dieser Nachweis war nicht zu erbringen.

Hintergrund der Anklage wegen Rechtsbeugung ist der Fall eines türkischen Vaters, der um seinen nicht ehelich geborenen Sohn kämpfte. Die Mutter hatte das Kind gegen seinen Willen zur Adoption freigeben wollen. Nach dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof sprach auch das Bundesverfassungsgericht dem Vater ein Umgangsrecht zu. Das
Familiengericht Wittenberg traf eine entsprechende Umgangsregelung, das OLG Naumburg hob diese aber wieder auf. Inzwischen lebt das Kind beim Vater.

Fazit:
Verletzt ein Richter im Amt sehenden Auges geltendes Recht, droht ihm wegen Rechtsbeugung eine Freiheitsstrafe zwischen einem und fünf Jahren.
Verletzen aber drei Richter sehenden Auges geltendes Recht, bleiben sie in der Regel straflos.

Dürfen Mitglieder von Kollegialgerichten also ungestraft Rechtsbeugung begehen?
Dürfen die Mitglieder eines Kollegialgerichts, trotz des Beratungsgeheimnisses, als Zeugen Aussagen machen?
Sollte hier nicht das Gerichtsverfassungsgesetz entsprechend erweitert werden, um Strafentziehung der Betroffenen zu verhindern?

MfG

Karl Eckert

http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?em_cnt=1657708&

http://www.betrifftjustiz.de/Texte/BJ%2096%20Strecker.pdf

http://www.asp.sachsen-anhalt.de/presseapp/data/olg/2008/007_2008_b1e854f09b8ad42a6651ed150385fd28.htm

http://www.vafk.de/themen/Tagebuch/Urteile/081219_Beschl_OLG_Anhrue_sw.pdf

Portrait von Brigitte Zypries
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Eckert,

zu konkreten Strafverfahren äußere ich mich grundsätzlich nicht. Deren Beurteilung obliegt allein den Staatsanwaltschaften und Gerichten.

Was Ihre Fragen zum richterlichen Beratungsgeheimnis angeht, so kann ich Ihnen mitteilen, dass ein Richter über den Hergang bei der Beratung und Abstimmung auch nach Beendigung seines Dienstverhältnisses zu schweigen hat. Dieses Beratungsgeheimnis dient zunächst dem Schutz der Unvoreingenommenheit und inneren Unabhängigkeit der Richter. Richter sollen sich bei der Beratung frei äußern können. Gleichzeitig leistet das Beratungsgeheimnis einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung der Unbefangenheit der Rechtsprechung, insbesondere bei ehrenamtlichen Richtern. Schließlich soll das Beratungsgeheimnis einer Abwertung von Kollegialentscheidungen vorbeugen; die Akzeptanz dieser Entscheidung soll grundsätzlich nicht dadurch beeinträchtigt werden, dass sie nicht einstimmig getroffen worden ist.

Nach übereinstimmender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur gilt das Beratungsgeheimnis jedoch nicht absolut. So kann die Durchbrechung des Beratungsgeheimnisses notwendig werden, wenn die Folgen einer gesetzeswidrigen Beratung oder Abstimmung behoben oder Richter wegen ihrer Abstimmung den gesetzlich vorgesehenen Sanktionen unterworfen werden können.

Allerdings hat ein Richter, der einer Straftat verdächtig ist, ebenso wie jeder andere Beschuldigte das Recht, sich zur Sache zu äußern, oder keine Angaben zu machen.

Mit freundlichen Grüßen

Brigitte Zypries