Frage an Brigitte Zypries von Gerhard R. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Zypries,
Eine weitere unerklärliche Ungerechtigkeit im Unterhaltsrecht gibt es im Falle von Arbeitslosigkeit des Unterhaltspflichtigen.
Arbeitslosigkeit wird in der Rechtspraxis, als vorübergehend angesehen. Damit wird begründet, dass der Unterhaltspflichtige die Einkommenseinbußen alleine zu tragen hat.
Warum ist das so?
Auch in intakten Familien nehmen alle Familienmitglieder die Lasten gemeinsam auf sich und beteiligen sich an den notwendigen Einsparungen.
Zumal die Teilung des Nutzens auch im Trennungsfalle als Selbstverständlich angesehen wird. Zumindest den finanziellen Nutzen des Pflichtigen.
Niemand käme auf die Idee, dass ausschließlich Einer auf das Essen verzichten müsste, damit alle Anderen weiter den gewohnten Lebensstandard halten können.
In meinem Fall wäre es sogar so, dass ich mehr Unterhalt an meine Frau und meine 4 Kinder bezahlen müsste, als ich an ALG1 erhalten würde.
Mir bliebe mindestens ein halbes Jahr nicht ein Cent zur Deckung meines Lebensunterhalts, sondern ich wäre sogar verpflichtet etwa 200,- mehr Unterhalt zu bezahlen, als ich an ALG1 erhalten würde. Wovon soll ich in der Zeit leben? Geschweige denn, den Umgang mit meinen Kindern sicher zu stellen für dessen Finanzierung ich ebenfalls alleine zuständig bin?
Von meinem Einkommen leben 6 Menschen. Es ist absurd zu glauben, dass ich den Verlust von fast 50% meines Einkommens alleine ausgleichen könnte.
Aufgrund der zahlreichen anderen Ungerechtigkeiten, denen Väter in Deutschland ausgesetzt sind, bleibt mir nach Abzug der Umgangs-, Erwerbs- und Gerichtskosten schon heute deutlich weniger Geld zum Leben als meiner Frau. Wovon soll ich da Rücklagen bilden? Wovon die Unterhaltsschuld begleichen?
Warum haben berufstätige Väter im Gegensatz zu Kinderlosen oder Müttern 6 Monate keinerlei Anspruch auf ALG1?
Wofür werden Väter hier bestraft?
Welcher Mensch kann glauben, dass man mehr Unterhalt bezahlen kann als man Einkommen hat?
Sehen sie auch hier keinen Grund etwas zu ändern?
mfG G.R
Sehr geehrter Herr Raden,
ein Unterhaltsanspruch besteht nur, solange und soweit der Unterhaltspflichtige in der Lage ist, den geltend gemachten Unterhalt ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Lebensbedarfs zu leisten. Verfügt ein Unterhaltspflichtiger - aus nicht von ihm zu vertretenden Gründen - über kein oder über ein zu geringes Einkommen, besteht deshalb regelmäßig keine Unterhaltsverpflichtung. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass Unterhaltspflichtige nicht finanziell überfordert werden.
Der Grundsatz der Leistungsfähigkeit ist auch dann beachtlich, wenn sich die Einkommensverhältnisse erst später, das heißt nach der Unterhaltsfestlegung ändern. Der Unterhaltspflichtige hat dann regelmäßig die Möglichkeit, eine Anpassung des bereits bestehenden Unterhaltstitels an die veränderten Verhältnisse zu verlangen. Eine solche Abänderungsklage setzt aber voraus, dass es sich um eine wesentliche Änderung handelt. Auch im Interesse des Rechtsfriedens soll die Abänderungsklage bei geringfügigen, wirtschaftlich nicht wesentlich ins Gewicht fallenden oder auch bei nur vorübergehenden Änderungen nicht möglich sein. Das ist auch deshalb sachgerecht, weil ein gerichtliches Unterhaltsverfahren in aller Regel längere Zeit in Anspruch nimmt und zudem weitere Kosten verursacht.
Vor diesem Hintergrund wird in der Rechtsprechung zum Teil die Ansicht vertreten, dass im Einzelfall eine nur kurzfristige Arbeitslosigkeit eine Abänderungsklage nicht begründen kann. Entgegen Ihrer Ansicht wird Arbeitslosigkeit jedoch nicht per se als vorübergehend angesehen. Ganz im Gegenteil: In der unterhaltsrechtlichen Praxis stehen Abänderungsklagen häufig in Zusammenhang mit der Arbeitslosigkeit des Unterhaltspflichtigen, die - sofern der Unterhaltspflichtige seinen Arbeitsplatz unverschuldet verloren hat und trotz Bemühungen keinen neuen oder nur einen geringer entlohnten Arbeitsplatz zu finden vermag - auch regelmäßig zu einer Reduzierung oder zu einem Wegfall der Unterhaltsverpflichtung führen. Hierbei räumt die Rechtsprechung dem Unterhaltspflichtigen im Übrigen in der Regel eine angemessene Orientierungs- und Bewerbungsfrist von bis zu sechs Monaten ein, in der vom geringeren Arbeitslosengeld als Unterhaltsbemessungsgrundlage ausgegangen wird.
Anlass für Änderungen sehe ich daher nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries