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Frage von Florian V. •

Frage an Brigitte Zypries von Florian V. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Zypries,

bei einem Blick in die Nachrichten kann dem Normalbürger heute wieder die Hutschnur reissen.

Wie kann es sein, das ein ehemaliger Post-Chef, der nach deutschem Recht (§ 370 AO) ganz klar eine Straftat begangen hat und diese auch schwerwiegend war, nicht die volle Härte der Justiz trifft ?

Wie will die Justiz dem Bürger verständlich machen, das Herr Zumwinkel durch eine Absprache zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung nur zwei Jahre auf Bewährung zu erwarten hat, ein anderer aber wegen einem kleineren Delikt mit allen der Justiz zu Verfügung stehenden Mitteln bestraft wird ?

Wenn man die letzten Jahre betrachtet, so ist es in den Augen vieler Mitbürger so, das Prominente, Manager usw. NIE die Strafen bekommen, die sie verdienen ?

Kann man denn dann überhaupt noch davon sprechen, dass vor dem Gesetz alle Menschen gleich sind ? Ist es nicht eher so, das vermehrt Absprachen getroffen werden oder das durch den Einsatz von Top-Anwälten und anderen Mitteln bessere Chancen auf Straffreiheit haben als Otto Normalbürger ?

Was gedenkt das Justizministerium künftig zu tun, um dem Bürger mehr Gerechtigkeit zukommen zu lassen ? Wie soll das Vertrauen in die Deutsche Justiz gestärkt werden ?

Mit freundlichem gruß

F.Völler

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Völler,

aufgrund der im Grundgesetz verankerten richterlichen Unabhängigkeit ist es mir versagt, konkrete Verfahren zu bewerten. Richter sind bei ihren Entscheidungen nicht weisungsabhängig und dabei nur dem Gesetz unterworfen. Auch bitte ich Sie zu bedenken, dass Presseberichte häufig umfangreiche und komplizierte Sachverhalte nur zusammenfassend und verknappend darstellen. Dadurch können Sie als interessierter Bürger, ebenso wie ich, nicht über alle Informationen verfügen, die den unmittelbaren Verfahrensbeteiligten zur Verfügung stehen.

Absprachen vor Gericht finden heute täglich statt. Eine Verständigung im Strafverfahren bedeutet entgegen der oft verbreiteten Annahme keinen Handel mit der Gerechtigkeit. Auch bei dieser Art des Verfahrensabschlusses müssen die von der Strafprozessordnung und vom allgemeinen Strafrecht vorgegebenen Grundsätze eingehalten werden. Dies betrifft insbesondere eine zur Überzeugung des Gerichts hinreichende Sachaufklärung und das Gebot des schuldangemessenen Strafens. Das gilt nicht nur für große und komplexe Wirtschaftsstrafverfahren. Auch im Bereich der Drogenkriminalität, bei Gewaltdelikten oder in Verfahren wegen kleinerer Kriminalität werden sogenannte Absprachen getroffen. Absprachen haben insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt des Zeugen- und Opferschutzes ihre Berechtigung, wenn der Täter aufgrund einer vorangegangenen Verständigung ein Geständnis ablegt und deswegen auf eine vor allem für den Opferzeugen psychisch belastende Beweisaufnahme verzichtet werden kann.

Es ist die Pflicht des Gesetzgebers, im Bereich der Verständigungen im Strafverfahren für die notwendige Rechtsklarheit zu sorgen. Deswegen wird mit dem Gesetzentwurf zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren erstmals gesetzlich geregelt, unter welchen Voraussetzungen eine Absprache zustande kommen darf. Um eine größtmögliche Transparenz der Verfahrensabläufe zu gewährleisten, sind weitreichende Dokumentations- und Mitteilungspflichten vorgesehen und Absprachen dürfen nur in öffentlicher Hauptverhandlung getroffen werden. Der Gesetzentwurf bietet ein höchstmögliches Maß an Sicherungen, um ein rechtsstaatliches Verfahren zu garantieren.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries