Frage an Brigitte Zypries von Holger K. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Zypries,
der VafK stellt fest: Selbst nach 1 Jahr Familienleben sind 51% der Väter ohne Sorgerecht. 46% haben dies. Insg. liegt die Quote (BfS seit 2004) bei ca. 44 %.
Annahmekonform, d.h. aus Kindeswohlgründen, besteht Alleinsorge nur zu 3%.
http://www.vafkbb.de/modules/news/article.php?storyid=54
Das BVerfG erwartete 2003 noch ein besseres Annehmen des Instituts der gem. Sorge. Die Annahme "Kindeswohlgründe" war widerlegt, wenn selbst bei Zusammenlebenden kein größerer Anteil entstehe. Beziehung (auch zum Kind) ja, Sorgerecht nein?
Die Zahlen belegen: Von Entwicklung/ Regelmäßigkeit – so das BVerfG - keine Spur.
Vergleichen Sie die Arbeit des VafK mit Ihrer Befragung der Jugendämter. Streng wissenschaftlich ist sie sicherlich nicht, aber selbst für das BVerfG reichen Annahmen.
Tendenziell hätte Ihre Befragung auch gereicht. Eine Rechtsänderung wollten Sie aber nicht. Nun ist sie Gegenstand einer weiteren Beschwerde beim EGMR - nachdem schon in der vorigen Legislaturperiode Experten eine Korrektur befürworteten? Glückwunsch zu dieser prof. Umsetzung des Prüfauftrags!
Auch die Ausschreibungsfragen zu § 1626a zeigen, dass im Fokus nur Zusammenlebende stehen. Neben dieser offensichtlich sinnlosen Beschränkung vermute ich, a.E. soll erneut ein Anspruch mit prozessual aussichtslosen Bedingungen wie "Kindeswohldienlichkeit" stehen – als sei nicht lange belegt, dass gem. Sorge dies i.d.R. ist? Schon Alt-Väter scheiterten an Streit inszenierenden Müttern, da Streit schließlich nicht dem Kindeswohl diene.
1. Hat die Annahme nach 10 Jahren Reform noch Bestand?
2. Halten Sie über 50% der Väter für kooperationsunfähig, eine Gefahr für das Kindeswohl?
3. Wie soll die Ausschreibung korrigiert werden, da ein Zusammenleben offensichtlich irrelevant ist?
4. Für welche Lösung stehen Sie persönlich unabhängig vom Forschungsauftrag?
Ich wäre Ihnen für eine Antwort ohne die altbekannten Textbausteine sehr dankbar.
Mit freundlichen Grüßen
Holger Kehl
Sehr geehrter Herr Kehl,
wie Sie wissen, ist vom Bundesministerium der Justiz im Sommer/Herbst 2006 eine Umfrage zur gemeinsamen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern bei Jugendämtern und Rechtsanwälten durchgeführt worden. Die Umfrage hat zu ersten, für eine grundlegende Gesetzesänderung aber nicht ausreichend belastbaren Ergebnissen geführt. Daher soll nunmehr eine fundierte wissenschaftliche Untersuchung durchgeführt werden, in der es vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Januar 2003 (1 BvL 20/99, 1 BvR 933/01) insbesondere um die Motive von zusammenlebenden, nicht miteinander verheirateten Eltern gehen soll, keine gemeinsame Sorge zu begründen.
Das Bundesverfassungsgericht hatte festgestellt, dass in Fällen, in denen die Eltern mit dem Kind zusammenleben und beide ihre Kooperationsbereitschaft schon durch gemeinsame tatsächliche Sorge für das Kind zum Ausdruck gebracht haben, der Gesetzgeber davon ausgehen durfte, dass die Eltern die nunmehr bestehende gesetzliche Möglichkeit einer gemeinsamen Sorgetragung in der Regel nutzen und ihre tatsächliche Sorge durch Sorgeerklärungen auch rechtlich absichern.
Es hat zugleich festgestellt, dass der Gesetzgeber verpflichtet ist, die tatsächliche Entwicklung zu beobachten und zu prüfen, ob seine Annahme auch vor der Wirklichkeit Bestand hat. Stelle sich heraus, dass dies regelmäßig nicht der Fall ist, werde der Gesetzgeber dafür sorgen müssen, dass Vätern nichtehelicher Kinder, die mit der Mutter und dem Kind als Familie zusammenleben, ein Zugang zur gemeinsamen Sorge eröffnet wird, der ihrem Elternrecht aus Art 6 Abs 2 GG unter Berücksichtigung des Kindeswohls ausreichend Rechnung trägt.
Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries