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Frage von Guntram S. •

Frage an Brigitte Zypries von Guntram S. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Zypris,

bei längerer Umgangsaussetzung in strittigen Familien droht Kindern, besonders leicht aber Mädchen die Gefahr der Eltern-Entfremdung von ihrem auswärts lebenden Elternteil.

Nehmen wir einmal an, das Jugendamt hat die Situation falsch eingeschätzt, das Amtsgericht ebenso, und Gutachter haben versäumt, das Kind auf Elternentfremdung (PAS) zu testen.

Gegen wen kann das Kind später, wenn psychische Spätfolgen bleiben, einen Haftungsanspruch geltend machen?

Haftet hier die Bundesrepublik als Träger der genannten Behörden, oder der psychologische Gutachter?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Seiss,

grundsätzlich gilt: Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig eine ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so haftet hierfür die sogenannte Anstellungskörperschaft (Bund, Land, Gemeinde etc.). Diese kann ihrerseits unter bestimmten Voraussetzungen Rückgriff bei dem Beamten nehmen. Sowohl Mitarbeiter von Jugendämtern als auch Richter gelten als "Beamte" in diesem Sinne. Was die Haftung gerichtlicher Sachverständiger anbetrifft, so ist zu unterscheiden: Handelt es sich bei dem Sachverständigen um einen Beamten bzw. behördlichen Mitarbeiter, so greifen ebenfalls die gerade beschriebenen Grundsätze der Amtshaftung ein. Anderenfalls haftet der gerichtliche Sachverständige persönlich.

Die Vorschriften über die Amtshaftung sind jedoch nicht dazu vorgesehen, gerichtliche Entscheidungen im Nachhinein über den Umweg einer Haftungsklage zu revidieren. Vielmehr sind Einwände gegen gerichtliche Entscheidungen durch Einlegung des jeweils vorgesehenen Rechtsmittels (Berufung, Beschwerde) geltend zu machen. Bei der Haftung von Richtern ist darüber hinaus die verfassungsrechtlich verankerte richterliche Unabhängigkeit zu wahren. Daher gelten folgende Haftungsbeschränkungen: Erstens besteht keine Ersatzpflicht, wenn der Verletzte es vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch den Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Zweitens kommt im Falle eines fehlerhaften Urteils nur dann ein Amtshaftungsanspruch in Betracht, wenn die Amtspflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auch bei der Gutachterhaftung besteht eine Haftungseinschränkung: Der gerichtliche Sachverständige haftet im Falle eines unrichtigen Gutachtens nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit, da es anderenfalls an der zur Erstattung des Gutachtens notwendigen inneren Freiheit fehlen würde. Was die Haftung des Jugendamtes bzw. dessen Mitarbeitern angeht, so gelten zwar keine derartigen haftungsrechtlichen Besonderheiten, jedoch ist das Jugendamt an gerichtliche Sorge- und Umgangsrechtsentscheidungen gebunden, weshalb es selbstverständlich keine Amtspflichtverletzung darstellt, sondern im Gegenteil pflichtgemäßem Verwaltungshandeln entspricht, wenn das Jugendamt gerichtliche Vorgaben beachtet und umsetzt.

Abgesehen von den einzelnen Haftungsvoraussetzungen erscheint allerdings fragwürdig, ob eine mögliche Entfremdung des Kindes von dem nicht sorgeberechtigten Elternteil überhaupt in Geld bemessen werden kann. Zugleich wäre es bedenklich, den Blickwinkel in der von Ihnen geschilderten Situation auf Haftungsfragen zu beschränken. Vielmehr sollten die Eltern in derartigen Fällen bemüht sein, in möglichst konstruktiver Zusammenarbeit mit Gericht und Jugendamt die für das Kind beste Lösung zu finden.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries