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Frage von Klaus S. •

Frage an Brigitte Zypries von Klaus S. bezüglich Recht

In Ihrer Antwort vom 17.11.2008 auf die Fragen von Herrn Borgmann schreiben Sie dass die Bundesrepublik Deutschland mit dem Grundgesetz eine Verfassung im "materiellen" Sinn ...
Meine Fragen dazu:

1) Welchen Sinn gibt es für ein Grundgesetz außer dem "materiellen"?
2) Warum ist unser GG auf den "materiellen" Sinn begrenzt und keine vollwertige Verfassung?
3) Warum wird unser GG als "Gesetz" bezeichnet und nicht als Verfassung wie in allen anderen Staaten dieser Erde?

Ihre Behauptung, der EU-Reformvertrag ist keine neue Verfassung für Deutschland und hat daher nichts mit Art. 146 Grundgesetz zu tun ist schlichtweg nicht nachvollziehbar! Art. 146 GG sagt aus dass das GG seine Gültigkeit an dem Tage verliert, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die vom deutschen Volk in freier Entscheidung beschlossen worden ist.

1) Da, nach Ihrer Aussage, das GG im "materiellen" Sinne eine Verfassung ist, tritt das GG außer Kraft wenn die neue EU-Verfassung in Kraft tritt. Über diese neue Verfassung hat aber einzig und alleine das deutsche Volk in freier Entscheidung zu beschließen.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Schmidt,

"Materiell" bedeutet, dass das Grundgesetz inhaltlich die Anforderungen
an eine Verfassung erfüllt. Im Gegensatz dazu bezieht sich "formell"
allgemein auf die Form der Beschlussfassung. Zu letzterem habe ich in
der Antwort an Herrn Borgmann gar nichts gesagt, weil das nicht
Gegenstand der Frage war. Insofern sind Ihre Schlüsse in Frage 2) voreilig.

Das Grundgesetz wird als Gesetz bezeichnet, weil es nach dem zweiten
Weltkrieg für den Wiederaufbau der Bundesrepublik Deutschland einerseits
notwendig war, eine Verfassung zu haben, die die Grundentscheidungen und
die Staatsorganisation festlegt, andererseits aber der Eindruck
vermieden werden sollte, dass sich der Staat Deutschland mit der
Abtrennung Ostdeutschlands in der DDR endgültig abfindet. Mit dem Wort
"Verfassung" wird jedoch in der Regel eine abgeschlossene Grundordnung
für einen Staat verbunden. Deshalb hat man tatsächlich eine Verfassung
geschaffen, aber den Namen "Verfasung" vermieden und sich für den
Begriff "Grundgesetz" entschieden, um seinen provisorischen Charakter zu
kennzeichnen. Nach der Wiedervereinigung war man dann so überzeugt vom
grundsätzlichen Funktionieren des Grundgesetzes, dass man von der
Schaffung einer neuen Verfassung abgesehen hat. Artikel 146 hat die
Schaffung einer solchen Verfassung zwar erlaubt, jedoch nicht
vorgeschrieben, sodass dieser Weg auch zulässig war.

Ihre Ausführungen zu Artikel 146 GG sind ein Zirkelschluss. Sie sagen,
dass der EU-Reformvertrag das Grundgesetz ablöst und deshalb gemäß
Artikel 146 GG eine Volksabstimmung nötig sei. Das ist aber nicht
richtig. Der EU-Vertrag regelt lediglich, wie die Europäische Union
organisiert wird. Dabei bleibt die Bundesrepublik Deutschland aber als
Staat bestehen und das Grundgesetz gilt fort. Etwas anderes wäre es,
wenn man eines Tages die Bundesrepublik zugunsten eines "Bundestaats
Europa" ablöste. Das ist aber derzeit nicht geplant und wird nicht durch
den EU-Reformvertrag bewirkt.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries