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Frage von Michael D. •

Frage an Brigitte Zypries von Michael D. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Zypries,

auf einer der Fragen von Herrn F. H. vom 07.07.08 antworten sie in einer Weise, die ich nicht verstehe:
"Der Gesetzgeber habe davon ausgehen dürfen, dass eine Mutter, gerade wenn sie mit dem Vater und dem Kind zusammenlebt, sich nur ausnahmsweise und nur dann dem Wunsch des Vaters nach einer gemeinsamen Sorge verweigert, wenn sie dafür schwerwiegende Gründe hat, die von der Wahrung des Kindeswohls getragen werden."

In unserem Grundgesetz (§6 Abs. 2) finde ich folgenden Satz:
"Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft."

Ich bin Vater dreier Kinder jeweils mit Sorgerecht, 2 davon unehelich. Vater und Mutter sehe ich bei der Erziehung der Kinder als gleich notwendig und auch wichtig an.

Daher scheint es mir auch sinnvoll, sie mit gleichen Pflichten und Rechten auszustatten.

Nun bin ich kein Intellektueller. Vielleicht verstehe ich auch deshalb nicht, warum Sie und andere meinen, dass gerade ein Alleinsorgeberechtigter in unserem Rechtssystem derjenige sein sollte, der am besten beurteilen kann, ob ein gemeinsames Sorgerecht (und damit die Beschneidung seines eigenen Rechts) dem Kind eher zuträglich ist oder schadet.

Im aktuellen Focus (45/08) finden sie aus S.48 eher weniger selbstlose Gründe, warum alleinerziehende-Mütter Vätern das Sorgerecht verweigern: Sie möchten im Konfliktfall keine Kompromisse machen (73%), befürchten selbst das Sorgerecht zu verlieren (32%) und anderes.

Daher 2 Fragen an sie:
- Eher grundsätzlich: Warum entscheiden eigentlich nach der Geburt nicht einfach die Väter über das Sorgerecht?
- Eher rechtlich (vgl. GG §2 Abs 2): Was hindert Sie daran, das Sorgerecht wie bei den verheirateten auch bei ledigen Eltern zum Standard zu machen und es nur dann per Gerichtsantrag abzuändern, wenn ein Richter es für sinnvoll hält?

Gruß und Dank,
Michael Degener

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Degener,

bei der von Ihnen angesprochenen Regelung des § 1626a des Bürgerlichen Gesetzbuchs ging es dem Gesetzgeber nicht darum, den Vater rechtlich schlechter zu stellen als die Mutter, sondern um die Wahrung des Kindeswohls: Nichteheliche Kinder werden nicht nur in intakten Beziehungen geboren, sondern auch im Rahmen von flüchtigen und instabilen Bekanntschaften, in denen es häufig an der notwendigen Kooperationsbereitschaft fehlt. Die gemeinsame Sorge nichtverheirateter Eltern ist daher im Interesse des Kindeswohls davon abhängig gemacht worden, dass die Eltern ihre Bereitschaft zur Kooperation durch die Abgabe übereinstimmender Sorgeerklärungen dokumentieren.

Das Bundesverfassungsgericht hat die gesetzliche Regelung im Wesentlichen für verfassungskonform erklärt. Es hat den Gesetzgeber aber verpflichtet, die tatsächliche Entwicklung zu beobachten und zu prüfen, ob die gesetzlichen Annahmen vor der Wirklichkeit Bestand haben. Zu prüfen ist insbesondere, ob Mütter, die keine Sorgeerklärungen abgeben, hierfür schwerwiegende, vom Kindeswohl getragene Gründe haben.

Um diesem Prüfauftrag nachzukommen, hat das Bundesministerium der Justiz gerade ein Forschungsvorhaben ausgeschrieben. Sollte sich ergeben, dass die gemeinsame Sorge vielfach aus anderen als aus Gründen des Kindeswohls nicht zustande kommt, muss der Gesetzgeber handeln und Vätern nichtehelicher Kinder über das geltende Recht hinaus einen Zugang zur gemeinsamen Sorge eröffnen.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries