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Frage von Angelika M. •

Frage an Brigitte Zypries von Angelika M. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Ministerin,

in Ihrer Antwort vom 09.10.2007 an Hrn. Wandler haben Sie zum Thema Zwangsehengesetz darauf hingewiesen, dass Zwangsehen bereits seit 2005 als schwere Nötigung strafbar seien. Im Vertrag der Großen Koalition von 2005 haben sich die Koalitionspartner aber darauf geeinigt, dass Zwangsehen als separater Straftatbestand in das Strafgesetzbuch aufgenommen werden sollen. Seyran Ates schreibt in einem Zeitartikel vom 23.10.08, dass der Bundesregierung bereits seit 2006 ein entsprechender Gesetzesentwurf vom Bundesrat vorliege. Meine Frage nun: Warum hat die Bundesregierung dieses Gesetz seit 2006 nicht aufgerufen?

Meine zweite Frage: In derselben Antwort weisen sie auf eine Arbeitsgruppe des Bundesjustizministeriums unter Zusammenarbeit mit Migranten und ihren Verbänden hin, im Rahmen derer der Entschluß getroffen wurde, dass "eine einseitig auf das Strafrecht konzentrierte Diskussion aber eher kontraproduktiv wirkt". Finden Sie nicht, dass es in einem demokratischen Staat unzulässig ist, Interessen- und Arbeitsgruppen darüber entscheiden zu lassen, ob ein im Koalitionsvertrag vereinbartes Gesetz, dass das Leben der Klientel derselben Interessengruppen mit höchster Wahrscheinlichkeit direkt berühren würde, über die Verabschiedung dieses Gesetzes beraten zu lassen?

Vielen Dank schon mal im Voraus für Ihre Antworten!

Mit freundlichen Grüßen,

Angelika Mayer

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Mayer,

ob und wann ein Gesetzentwurf des Bundesrates vom Parlament beraten wird, entscheidet nicht die Bundesregierung, sondern der Deutsche Bundestag. Die Bundesregierung hat fristgerecht zu dem Bundesratsentwurf Stellung genommen und u. a. auf die im Koalitionsvertrag im rechtspolitischen sowie in dem die Gleichstellung von Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund betreffenden Teil getroffenen Vereinbarungen verwiesen. Bundesregierung und Parlament haben sich seither anhaltend mit dem Problem beschäftigt. Einen Teil der Anstrengungen der Bundesregierung habe ich in der von Ihnen erwähnten Antwort dargestellt.

Nach allem was wir bisher wissen, stehen die aufenthaltsrechtlichen Aspekte des Problems im Mittelpunkt des Interesses. Opfer brauchen aufenthaltsrechtliche Rahmenbedingungen, die ihnen Schutz bieten. Dazu enthält der Gesetzentwurf des Bundesrates keine Vorschläge. Anhaltspunkte dafür, dass die von Frau Ates propagierte Strafrechtsänderung „die Anzeigen in die Höhe schnellen“ ließe, gibt es nicht. Für die Opfer geht es vor allem darum, sich in Sicherheit zu bringen vor Repressionen aus dem familiären Umfeld. Oft geht es um ihre Existenz, also nicht nur um ihr Selbstbestimmungsrecht, sondern ihre körperliche Integrität. Sie sind, weil die Bedrohung aus ihrer Familie kommt, in besonderer Weise auf Beratung und Unterstützung angewiesen. Und sie brauchen geeignete Zufluchtsorte mit gesicherter Finanzierung. Von all dem gibt es nicht genug und eine Strafrechtsänderung schafft hier keine Abhilfe. Man kann also mit guten Gründen der Meinung sein, den Betroffenen sei mit konkreten Verbesserungen ihrer Situation besser geholfen, als mit einer abermaligen Änderung des Strafgesetzbuches, die für die entscheidenden Probleme keine Lösungen bietet.

An der vom Bundesministerium der Justiz betreuten Arbeitsgruppe 4 des Nationalen Integrationsplans, die sich eingehend mit der Zwangsverheiratung befasst hat, war auch Frau Ates beteiligt. Angesichts der ebenso offenen wie kontroversen Diskussion im Rahmen dieser Arbeitsgruppe kann ich die Unterstellung, die Verantwortlichen scheuten die Auseinandersetzung mit Migrantenverbänden nicht nachvollziehen. Wenn Sie sich selbst ein Bild machen wollen, können Sie den Bericht dieser Arbeitsgruppe unter www.bmj.de unter der Rubrik „Themen – Nationaler Integrationsplan“ finden.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries