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Brigitte Zypries
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Frage von Tina M. •

Frage an Brigitte Zypries von Tina M. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Zypries,

mit Ihrer Unterhaltsreform haben sie für mehr durcheinander gesorgt und großer Rechtsunsicherheit. Alles sollte besser, einfacher und gerechter werden. Stattdessen türmt sich Ausnahme um Ausnahme.

In sogenannten Leitlinien ersetzen die OLGs Ihre schwammigen Paragrafen durch konkretere Vorgaben. Seit 1997 ist das eine Besonderheit des Familienrechts. Die meisten OLG´s haben individuelle Leitlinien erarbeitet. Ziel ist eine einheitliche Rechtsprechung im OLG-Bezirk. Eigentlich. Denn mit dem neuen Unterhaltsrecht wurden sie nun überarbeitet - und sind plötzlich noch unkonkreter als der Gesetzestext. Das liegt vor allem daran, dass die Richter sich nicht einigen konnten. Besonders umstritten ist die Frage, ab wann der Ex-Partner wieder arbeiten gehen muss.
Dieses Prinzip, "Altersphasenmodell", hat der Gesetzgeber abgeschafft. Was das OLG Hamm aber nicht daran hindert, in seinen Leitlinien daran festzuhalten: Von dem betreuenden Elternteil könne ab dem dritten Lebensjahr des Kindes eine Geringverdienertätigkeit erwartet werden, ab der Grundschulzeit eine Teilzeitstelle und ein Vollzeitjob, sobald es die weiterführende Schule besucht. Mir schwant: Nach der Reform ist vor der Reform.

Eigentlich ist nur noch eines wichtig: die persönliche Meinung der Richter. Und mir kommen wahre Zweifel ob die Unabhängigkeit der Richter nicht doch etwas weit reicht.

Habe ich als Bürger nicht ein Anrecht darauf, das ein Gesetz angewandt wird? Und planen Sie die Unterhaltsreform erneut zu reformieren, damit hier nicht jeder machen kann was er will?

Gruß
Tina

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Meyer,

Ihren Eindruck - nach der Reform ist vor der Reform - kann ich nicht teilen. Vielmehr denke ich, dass die Unterhaltsrechtsreform zu einer Reihe von Verbesserungen geführt hat. Allerdings ist das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts noch kein ganzes Jahr in Kraft. In der jetzigen Anfangsphase müssen die Gerichte ihre langjährige Rechtsprechung einer grundlegenden Überprüfung unterziehen und am neuen Unterhaltsrecht ausrichten. Wie bei jeder größeren Reform ist diese Umstellungsphase nicht von heute auf morgen abgeschlossen. Vielmehr kann etwas Zeit vergehen, bis einzelne Rechtsfragen durch die Obergerichte abschließend geklärt sind.

Vor diesem Hintergrund sind auch die derzeitigen unterhaltsrechtlichen Leitlinien noch etwas zurückhaltender gefasst. Mit Blick auf den von Ihnen angesprochenen Betreuungsunterhalt ist allerdings zu begrüßen, dass die meisten Oberlandesgerichte anstelle der bisherigen, sehr schematisierten Betrachtungsweise des Altersphasenmodells stärker auf den Einzelfall abstellen und dies auch so in ihren Leitlinien verankert haben. Auch das OLG Hamm verweist in seinen Leitlinien zunächst auf die Umstände des Einzelfalls und knüpft die Erwerbsobliegenheit des Unterhaltsberechtigten mit einem Kind ab drei Jahren an die verlässliche Fremdbetreuung des Kindes und weitere Umstände. Von einer pauschalen Erwerbsobliegenheit ist nicht die Rede.

Ich bin zuversichtlich, dass die Oberlandesgerichte ihre Leitlinien künftig weiterentwickeln und konkretisieren werden. Auch zu der Frage, ab wann ein geschiedener Ehegatte neben der Kinderbetreuung erwerbstätig sein muss, werden sich im Zuge dieser Entwicklung konkretere Beurteilungskriterien ergeben. Das Alter des Kindes wird hierbei eine - aber sicher nicht die alleinige Rolle - spielen. Es liegt auf der Hand, dass vor allem Kinder jüngeren Alters noch verstärkt der Betreuung durch die Eltern bedürfen. Die Ausübung einer Vollzeittätigkeit ist daher regelmäßig nicht im Interesse des Kindes. Sie kann außerdem schnell zu einer übermäßigen Belastung des alleinerziehenden Elternteils führen. Eine Rückkehr zum früheren pauschalen Altersphasenmodell ist damit aber nicht verbunden.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries