Frage an Brigitte Zypries von Michael B. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Zypries,
Vergisst das Gericht in einem Beschluss die Kostenentscheidung - sehr wichtig für den Anwalt, sonst kann er keine Gebühren eintreiben - wird gemäß §321 ZPO, auf Antrag eine Ergänzung beantragt.
Die von mir gefundene Rechtsprechung BeckRS 2006 15107, NJW 1970 1688 und NJW-RR 03 1440 bejaht die analoge Anwendung des §321 ZPO mit der darin enthaltenen Fristsetzung von zwei Wochen. Nach zwei Wochen also, kann man nichts mehr berichtigen.
Im Verfahren M 4461/06, AG Freising wurde in einem Beschluss vom 29.12.2006 (also vor fast 2 Jahren) der Ausspruch über die Kosten vergessen. Die gegnerische Anwältin hat nach fast 2 (in Worten: zwei) Jahren einen Antrag auf Berichtigung des Beschlusses gestellt. Und siehe da, das AG Freising hat es ihr genehmigt, obwohl §321 ZPO eine zweiwöchige Frist vorsieht.
Man kann sich des Eindruckes nicht erwehren, dass Sie, mit Ihrer Überzeugung, dass die Gesetze von „Fachleute mit juristischer Vorbildung“ verstanden werden ( http://www.abgeordnetenwatch.de/frage-650-5639--f109641.html#frage109641 ), ziemlich alleine da stehen: Wie die Freisinger Entscheidung beweist, steht diese in Widerspruch zu den restlichen Entscheidungen, zwei davon vom OLG München: Die „Fachleute“ legen das gleiche Gesetz nach Belieben aus.
Daher meine Fragen:
1) Gilt die 5. Grundkraft der Natur, die Rechtskraft also, die nach der zwei-Wochen-Frist ihre volle Wirkung entfaltet, für Anwälte nicht?
2) Wer garantiert uns, dass die „juristischen Fachleute“ ihre „Vor-bildung“ durch entsprechende „Nach-bildung“ auf einem - von Ihnen immer wieder betont - hohem Niveau bleibt? Mit anderen Worten, wer garantiert uns, dass Juristen die Gesetze verstehen?
3) Kann es sein, dass Kostenfragen, wenn eine Partei nicht anwaltlich vertreten ist, grundsätzlich zu Gunsten des Anwalts entschieden werden? Ohne Rücksicht auf Gesetze, wie mein Fall beweist?
In der Hoffnung dass ich eine Antwort zu jeder Frage erhalte, verbleibe ich
Mit freundlichen Grüssen
Michael Baleanu
Sehr geehrter Herr Baleanu,
selbstverständlich gelten die Wirkungen der Rechtskraft auch für Rechtsanwälte. Ich kann Ihnen auch versichern, dass Kostenentscheidungen nicht zu Lasten einer Partei getroffen werden, nur weil sie nicht anwaltschaftlich vertreten ist.
Die Rechtsprechung wendet die Vorschrift des § 321 ZPO über ihren Wortlaut hinaus auf weitere Fälle an, insbesondere auch auf Beschlüsse. Das kann, abhängig von der Art des Falles und des Verfahrens, auch zu Besonderheiten in der konkreten Anwendung der Zwei-Wochen-Frist gemäß § 321 Absatz 2 ZPO führen. Dabei ist immer zu berücksichtigen, dass es für den Fristbeginn nicht auf das Datum der Entscheidung, sondern deren Zustellung ankommt. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass es mir als Bundesjustizministerin nicht gestattet ist, Gerichtsentscheidungen zu kommentieren. Sofern Sie Erläuterungen zu dem von Ihnen geschilderten Einzelfall benötigen oder ein Rechtsmittel in Erwägung ziehen, sollten Sie sich mit einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin beraten.
Die fachliche Weiterbildung ist gesetzlich geregelt. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sind gemäß § 43a Abs. 6 der Bundesrechtsanwaltsordnung verpflichtet, sich fortzubilden. Wer einen Fachanwaltstitel führt - etwa Fachanwältin für Familienrecht oder Fachanwalt für Arbeitsrecht - muss jährlich die Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung mit einer Gesamtdauer von wenigstens zehn Stunden nachweisen (§ 15 der Fachanwaltsordnung). Der Rechtsanwalt muss sich kontinuierlich so fortbilden, dass er seinen Beruf gewissenhaft ausüben und die angenommenen Mandate sachgerecht nach dem jeweils geltenden Recht und auf der Grundlage der aktuellen Rechtsprechung bearbeiten kann. Wer sich nicht fortbildet und deshalb fehlerhaft arbeitet, haftet nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen. Die Rechtsprechung stellt dabei strenge Anforderungen an die Fortbildung der Rechtsanwälte.
Auch für Richterinnen und Richter besteht eine Pflicht zur Fortbildung. Das Deutsche Richtergesetz und die Richtergesetze der Länder verweisen auf die einschlägigen Vorschriften für Beamtinnen und Beamte, welche unter anderem eine Fortbildungsverpflichtung zur Erhaltung und Verbesserung der dienstlichen Befähigung vorsehen. Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte können sich insbesondere an der Deutschen Richterakademie, an der Europäischen Rechtsakademie und im Rahmen des Europäischen Justiziellen Fortbildungsnetzwerkes fortbilden. Darüber hinaus existieren in den einzelnen Bundesländern weitere Fortbildungsmöglichkeiten. An allen genannten Einrichtungen werden Fortbildungsveranstaltungen angeboten, die eine Vielzahl von Themen in allen Rechtsgebieten betreffen.
Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries