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Frage von Helmut S. •

Frage an Brigitte Zypries von Helmut S. bezüglich Recht

Der Anspruch auf Recht i. S. des GG wird in Deutschland systematisch behindert.

Art. 1.3; 19.4; 20.3 u. 97.1 GG gewähren einen Anspruch auf Durchsetzung begründeter Rechte.

Nehmen wir ein Beispiel: § 263 StGB (Betrug): Dieser Norm unterliegt der "Amtsträger" - Grundrechtsverpflichteter - ebenso wie der Bürger - Grundrechtsträger -. Allerdings wird im Strafgesetzbuch die Abgabenübererhebung bestraft, aber nur dann, wenn der Amtsträger die „übererhobenen Abgaben“ nicht in die Staatskasse abführt. Ein Amtsträger der also, z. B. mit einem Steuerbescheid, auch vorsätzlich, Steuern zu hoch festsetzt, begeht erst einmal einen Betrug. Nun vollstreckt die Finanzverwaltung diesen Steuerbescheid und die zu hoch festgesetzte Steuer gelangt in die Staatskasse. Der Amtsträger wird in einem solchen Fall nicht bestraft.

Ausgangspunkt eines Rechtsstreites vor dem OLG Stuttgart Az. 2 Ws 337/2007, der zu einer Verfassungsbeschwerde geführt hat, die zur Entscheidung nicht angenommen worden ist. Die Nichtannahme wurde nicht begründet. Da das BVerfGG eine Begründung nicht zwingend vorschreibt, war nicht geklärt, warum das BVerfG die Sache zur Entscheidung nicht angenommen hat. Weiteres Studium des Rechtes führte zu der o. a. Beurteilung. § 353 suspendiert § 263 StBG für Amtsträger! Danach kann ein Beamter gar keinen Betrug begehen, wenn er den Vorteil immer schön seinem Dienstherr abliefert. Folglich konnte der Beschwerdeführer mit der Verfassungsbe-schwerde zur Durchsetzung des Klageerzwingungsverfahrens nicht durchdringen.

Nun meine Frage: Wann gedenken Sie diese Immunität der Amtsträger aufzuheben, diese also dem Grundrechtsträger gleichzustellen, und das Bundesverfassungsgericht gesetzliche zu verpflichten, seine Entscheidungen stets zu begründen?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Samjeske,

Amtsträger haben wie alle anderen Bürger die geltenden Gesetze zu beachten und werden selbstverständlich auch zur Verantwortung gezogen, wenn sie dagegen verstoßen. Bei Straftaten, die nicht nur von Amtsträgern, sondern auch von anderen Tätern begangen werden können, ist die Amtsträgereigenschaft oft sogar ein Strafschärfungsgrund. Amtsträger sind also im Strafgesetzbuch nicht generell besser gestellt, sondern müssen im Gegenteil in manchen Fallen mit einer deutlich strengeren Bestrafung als andere Tätern rechnen.

Nun zu dem von Ihnen kritisierten Straftatbestand der Abgabenüberhebung: Die Tathandlung besteht darin, dass der Amtsträger Abgaben für öffentliche Kassen erhebt, von denen er weiß, dass der Zahlende sie entweder gar nicht oder in geringerem Umfang schuldet. Allerdings geht der Gesetzgeber davon aus, dass neben der disziplinarischen Ahndung eine Kriminalstrafe nur dann erforderlich ist, wenn der Amtsträger darüber hinaus weiteres Unrecht verwirklicht, indem er das Geld für sich behält und dadurch zeigt, dass er aus wirtschaftlichem Eigeninteresse handelt. Daraus folgert die Rechtsprechung, dass eine Bestrafung des Amtsträgers wegen Betruges in dieser speziellen Fallkonstellation nur ausnahmsweise in Betracht kommt, nämlich dann, wenn zur bewussten Abgabenüberhöhung des Amtsträgers noch eine weitere, darüber hinausgehende Täuschung des Bürgers hinzukommt. Mit einer allgemeinen Privilegierung oder Immunität von Amtsträgern hat das aber nichts zu tun.

Was schließlich die Begründung von Nichtannahmebeschlüssen des Bundesverfassungsgerichts anbelangt, bin ich gegen die Einführung einer Begründungspflicht. Die bisherige Regelung im Bundesverfassungsgerichtsgesetz, die bestimmt, dass die Entscheidung über die Nichtannahme einer Verfassungsbeschwerde keiner Begründung bedarf, dient ebenso wie das Annahmeverfahren insgesamt der Entlastung des Gerichts und soll angesichts der hohen Verfahrenseingänge dessen Arbeitsfähigkeit sichern. Gleichwohl wird das Vorliegen der Annahmevoraussetzungen einer Verfassungsbeschwerde selbstverständlich einzelfallbezogen im Kreis der Richter beraten, wobei eine Nichtannahme durch die Kammer stets Einstimmigkeit erfordert.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries