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Frage von Ute D. •

Frage an Brigitte Zypries von Ute D. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Zypries,

wird es im Rahmen der Unterhaltsreform berücksichtigt, wenn ein Alleinerziehender mit allen Belangen des Kindes von Hausaufgaben, Vokabeln, Arztbesuchen, Freizeit bis Krankheits- und Ferienbetreuung ... ganz auf sich gestellt ist? Auch wenn ein Kind schon "älter" ist, ist der Betreuungsaufwand für einen Einzelnen noch sehr hoch, da alle Arbeiten kumulativ anfallen. Seit einigen Jahren arbeite ich freiwillig 25 Std. die Woche, div. Überstunden (nutze ich meist zur Betreuung) zuzügl. Fahrzeit. Auch den Haushalt führe ich alleine. Nun soll ich auf die Forderung meines Ex- Mannes hin mehr arbeiten. Rechne ich jedoch meine unentgeltlichen Tätigkeiten hinzu, arbeite ich schon jetzt deutlich über 40 Std.- ungeachtet einer ständigen Bereitschaft.
Meine Tochter ist 10 Jahre alt und der Vater hat den Kontakt zu ihr ganz abgebrochen. Sie konnte sich dennoch in schulischer als auch sozialer Hinsicht gut entwickeln, da ich mich um sie kümmere. Dies soll auch so bleiben, denn ich möchte vermeiden, dass sie in der nahenden Pubertät auf die schiefe Bahn gerät. Ab August besucht sie das Gymnasium, wo sie im Rahmen der Neuorientierung und G8 sicherlich auch weiter Unterstützung aus dem Elternhaus braucht. Sie muss aus meiner Sicht die gleichen Chancen im Leben haben, wie ein Kind aus einer Familie, in der man Zeit und Geduld aufbringen kann. Leider ist in Deutschland auch die Betreuung von Kindergarten- und Grundschulkindern deutlich besser, da es auf der weiterführenden Schule keine Ferienbetreuung mehr gibt. Hier ist zukünftig organisatorischer als auch finanzieller Aufwand erforderlich, den ich alleine zu betreiben habe. Ab der 7. Klasse (12 Jahre) gibt es auch keine nachschulische Betreuung mit Mittagessen mehr.
Wo finde ich hier die Forderung nach der "Mitverantwortung des Vaters", der lediglich arbeiten gehen muss, sofern ich meine Arbeitszeit ausweiten muss?
Bleibt hier nicht das Kindeswohl zugunsten des Vaters auf der Strecke?

Viele Grüße
U. Depoi

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Depoi,

gerade der Aufwand, der durch Pflege und Erziehung den minderjährigen Kindern geschuldet wird, findet auch nach der Reform seine vollständige Achtung und Berücksichtigung bei der Berechnung von Unterhaltsansprüchen. Das neue Unterhaltsrecht geht zwar vom Prinzip der wirtschaftlichen Eigenverantwortung der Ehegatten nach ihrer Scheidung aus. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass heute bereits jede dritte Ehe geschieden und folglich eben nicht mehr ein ganzes Leben lang gelebt wird.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Erziehungsaufwand für minderjährige Kinder nicht mehr von Bedeutung wäre. Im Gegenteil - *mindestens* für die ersten drei Lebensjahre des Kindes kann von der erziehenden Mutter keine Erwerbstätigkeit erwartet werden und danach hängt es gerade auch von diesem Erziehungsaufwand ab, in welchem Umfang das Erwerbstätigwerden zu erwarten ist. Ist das Kind etwa hochgradig behindert, dürfte eine Erwerbstätigkeit kaum zu erwarten sein, ebenso, wenn eine Unterbringung in einer geeigneten Kindertagesstätte nicht möglich ist. In dem Maß aber, in dem eine solche Betreuung sichergestellt ist, ist dann auch eine Erwerbstätigkeit - bei Vorhandensein zumutbarer Arbeitsplätze - von der Mutter grundsätzlich zu erwarten. Diese Entscheidung des Gesetzgebers wurde zuletzt auch durch die noch nicht vollständig veröffentlichte Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 17. Juli 2008 bestätigt, der festgehalten hat, dass eine vollschichtige Erwerbstätigkeit einer alleinerziehenden Mutter wohl regelmäßig wegen des z.B. abends anfallenden Betreuungsbedarfes nicht in jedem Fall zugemutet werden kann. Für die genaue Grenzziehung wird es hier auf die Umstände des Einzelfalles ankommen.

Was die Verpflichtungen des Kindesvaters betrifft, so verweise ich darauf, dass dieser nach dem Gesetz zunächst verpflichtet ist, Kindesunterhalt in Geld zu leisten. Nach dem Gesetz wird diese Leistung als der von Ihnen erbrachten Betreuungsleistung "gleichwertig" angesehen.

Im übrigen hat das Kind das Recht auf Umgang mit beiden Elternteilen; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt. Damit bestehen eine Umgangspflicht und ein Umgangsrecht der Eltern. Dies gilt auch, wenn längere Zeit kein Umgang des Kindes mit einem Elternteil stattgefunden hat. In diesen Fällen bedarf es allerdings in der Regel einer langsamen Wiederbelebung des Kontaktes. Maßstab für den Umfang und die Ausübung des Umgangsrechts ist hier wie auch sonst das Kindeswohl.

Mit freundlichen Grüßen

Brigitte Zypries