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Frage von Klaus H. •

Frage an Brigitte Zypries von Klaus H. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrte Frau Zypries,

seit April 2008 gibt es in Deutschland das "neue Waffengesetz", das das Führen von Einhandmesser ohne einen "allgemein anerkannten Grund" verbietet.

Meine Fragen:
1. Wer beschließt, ob es "allgemein" anerkannt ist?

Ich grille leidenschaftlich gerne, oder mache einfach mal eine Brotzeit am Mainufer. Wenn ich nun dort mein Messer mit 5cm Klinge und Einhandbedienung mitnähme, würde ich mich strafbar machen, mit dem Messer mit 11cm feststehender Klinge hingegen nicht.

2. Wer beurteilt nun, von welchem Messer das höhere Gefahrenpotential ausgeht?

So bin ich ja quasi nun gezwungen, ein feststehendes Messer unter 12cm Klingenlänge mitzunehmen, statt das kleine mit dem Klappmechanismus.

Bevor die Argumentation auf die Möglichkeit einer Straftat mit dem fschnell zu öffnenden Einhandmesser kommt: lassen sie mich erwähnen, das ein Individuum, das Illegales mit einem Messer vorhat a) ein feststehendes Messer schneller zur Hand hat als ein Klappmesser, b) sich nicht um Waffengesetze kümmert c) zur Ausübung seiner Straftat ohnehin alle Zeit hat, das Messer zu ziehen.

Dieser Aspekt des Messertragens liegt mit glücklicherweise völlig fern, aber es beschäftigt mich schon.

Gestatten sie mir, ihnen noch anhand von 2 Beispielen aufzuführen was ich meine:
Kaufen erlaubt, VERBOTEN zu Führen: http://www.globetrotter.de/de/shop/detail.php?mod_nr=gli04006&k_id=1003&hot=0
Mesr mit 6cm Klinge und Einhandbedienung.

ERLAUBT:
http://www.globetrotter.de/de/shop/detail.php?mod_nr=hb_04254&k_id=1002&hot=0
Messer feststehend, mit 11,5cm Klingenlänge (also unter 12cm)

Wo sehen sie die Rechtfertigung?

Grüße aus Frankfurt

Portrait von Brigitte Zypries
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Heber,

das Verbot bestimmter Messer ist eine Reaktion des Gesetzgebers auf die gestiegene Deliktrelevanz solcher Messer. Zur Eindämmung von Gewalttaten mit Messern insbesondere in Großstädten wurde das Führen von Hieb- und Stoßwaffen sowie bestimmter Messer verboten. Die Einhandmesser - besonders in Gestalt von zivilen Varianten (sog. Kampfmesser) - haben bei vielen gewaltbereiten Jugendlichen den „Kultstatus“ des seit 2003 verbotenen Butterflymessers übernommen. Auch größere feststehende Messer haben an Deliktrelevanz gewonnen. Hierauf hat der Gesetzgeber mit einem grundsätzlichen Verbot dieser Messer reagiert.

Allerdings ist klar, dass derartige Messer auch eine große Verbreitung als nützliche Gebrauchsmesser haben. Deswegen wurde – unter Durchbrechung der Systematik des Waffengesetzes – darauf verzichtet, diese Messer pauschal als Waffe in Anlage 1 des Waffengesetzes einzuordnen. Es wurde zudem eine Sozialadäquanzklausel in das Gesetz aufgenommen. § 42a Abs. 2 und Abs. 3 WaffenG regeln die für den Alltag erforderlichen Ausnahmeregelungen, um den sozialadäquaten Gebrauch von Messern nicht durch das Führungsverbot von Messern zu beeinträchtigen.

Die von Ihnen angesprochene Formulierung „allgemein anerkannter Zweck“, die sich in § 42a Abs. 3 WaffenG findet, ist Teil der Ausgestaltung des Begriffs „berechtigtes Interesse“ aus § 42a Abs. 2 Nr. 3 WaffenG. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff wurde als Ausnahme von dem grundsätzlichen Verbot des Führens von Messern i.S.d. § 42a Abs. 1 WaffenG eingeführt. Unbestimmte Rechtsbegriffe sind von Natur aus im Detail „unscharf“ und erfahren ihre Ausgestaltung erst durch ausgestaltende Normen (wie hier in § 42a Abs. 3 WaffenG) und durch die Praxis.
Zusammengefasst lässt sich sagen: grundsätzlich ist das Führen von Einhandmessern verboten, außer es besteht ein berechtigtes Interesse am Führen. Dann ist es erlaubt. § 42a Abs. 3 WaffenG gibt Anhaltspunkte dafür, wann ein berechtigtes Interesse vorliegt, wobei die Aufzählung dort nicht abschließend ist. Eines jedoch zur Klarstellung: Der Verstoß gegen das Verbot des § 42a Abs. 1 WaffenG ist keine Straftat, sondern lediglich eine Ordnungswidrigkeit

Um jedoch sicher zu gehen, ob Sie ein bestimmtes Messer zum einem bestimmten Zweck führen dürfen, empfehle ich Ihnen, sich vorher an die zuständige Behörde zu wenden und dort nachzufragen. In Frankfurt dürfte dies das Ordnungsamt sein. Dort wird man Ihnen auch sagen können, was in Ihrer Region unter „allgemein anerkanntem Zweck“ verstanden wird. Die zuständige Behörde in Berlin zählt beispielhaft Pilzesammeln, ein Picknick oder Gartenpflege als allgemein anerkannten Zweck und somit als Erlaubnis für das Führen eines eigentlich verbotenen Messers auf.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre Brigitte Zypries