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Brigitte Zypries
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Frage von Gerhard R. •

Frage an Brigitte Zypries von Gerhard R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Zypries,

wie kann sich die Bevölkerung dagegen wehren, daß Landtage mit Unterstützung durch den Bundestag steuerfinanzierte Geldgeschenke an Kirchen verteilen?

In Ihren Antworten an Frau Großmann vom 26.5. und an Herrn Halfmann vom 26.6. betr. Staatsleistungen an Kirchen - gemeint sind jährliche Entschädigungen für Enteignungen, die Jahrhunderte zurückliegen - behaupten Sie, daß eine einmalige Entschädigung auch heute noch ein Vielfaches der jetzigen Jahreszahlung betragen müßte.
Gibt es Beweise für diese Behauptung?

Soll die geschädigte Allgemeinheit noch 50, 100 oder 500 Jahre
auf ein Ablösungsgesetz warten?

Seriöse Ausführungen zu diesem Thema finden Sie, wenn Sie bei GoogleWeb das Wort "Ewigkeitsrente" eintragen.
In seinem Aufsatz "Ablösung historischer Staatsleistungen an die Kirchen oder Ewigkeitsrente?" vom 6.4.2003 stellte der weithin anerkannte Jurist Dr. Gerhard Czermak fest: "Es gibt weder eine Legitimation noch einen rechtlichen Grund zur weiteren Erbringung von Staatsleistungen".

Besonders im Hinblick auf die große Kinderarmut sollten sich
Abgeordnete und Kirchen dafür schämen, daß es diese Geldgeschenke immer noch gibt.

Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Reth

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Reth,

bei Artikel 138 Abs. 1 WRV geht es nicht um Geschenke, sondern um Leistungen, "die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhen". So steht es ausdrücklich im Wortlaut der Vorschrift (www.gesetze-im-internet.de unter "WRV"). Der Wortlaut der Vorschrift spricht weiter davon, dass die betroffenen Leistungen nach Grundsätzen, die der Bundesgesetzgeber aufzustellen hat, "abgelöst" werden. Das ist das genaue Gegenteil einer ersatzlosen Streichung, die ja, wenn sie gewollt gewesen wäre, sowohl 1919 als auch 1949 unmittelbar durch die Verfassung hätte erfolgen können.

Auch heute noch muss die Ablösung gegen Entschädigung erfolgen. Dieser nahezu einhelligen Auffassung ist das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss vom 30. September 2000 beigetreten (2 BvR 708/96, abrufbar aus www.bundesverfassungsgericht.de). Dass die Entschädigung wohl ein Vielfaches der Jahreszahlung betragen würde, entspricht allgemeinen Grundsätzen. Im Steuerrecht beispielsweise wird der Kapitalwert einer immerwährenden Leistung mit dem 18,6-fachen des Jahreswertes angesetzt, § 13 des Bewertungsgesetzes (www.gesetze-im-internet.de unter "BewG").

Für das in Artikel 138 Abs. 1 WRV vorgesehene Bundesgesetz gilt das normale Gesetzgebungsverfahren. Wie ausgeführt, hätten die betroffenen Länder selbst die Möglichkeit, über den Bundesrat einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen; mit einer entsprechenden Anregung oder Forderung könnten Sie sich an Ihre Landesregierung wenden. Innerhalb der Bundesregierung ist für Fragen des Staatskirchenrechts das Bundesministerium des Innern zuständig.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries