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Frage von Klaus L. •

Frage an Brigitte Zypries von Klaus L. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Zypries,

in einer dpa-Meldung vom 21.06.08 heißt es: "Mit der Mehrheit von Union und SPD verabschiedete der Bundestag am Freitag trotz Bedenken von Richtern und Rechtswissenschaftlern die Möglichkeit einer nachträglichen Sicherheitsverwahrung."
Diese Strafverschärfung betrifft schwerstkriminelle Jugendliche (14 - 18 Jahre).
Für ähnliche Vorschläge wurde vor einem halben Jahr Roland Koch im hessischen Wahlkampf von der SPD aufs Schärfste kritisiert.
Woher kommt nun der Sinneswandel der SPD !?
Die Schwerpunkte der SPD lagen doch eindeutig auf Vorbeugung,Fürsorge, Betreuung und Resozialisierung von Jugendlichen.
Warum schwenkt die SPD nun -zumindest teilweise- auf den "harten" Kurs von Roland Koch ein ?
Ein Teil von Roland Kochs Wahlkampfprogramm wird offensichtlich mit ausdrücklicher Zustimmung der SPD umgesetzt.
Hat andererseits die SPD auch Teile ihres Wahlkampfprogramms durchsetzen können, was die Behandlung von jugendlichen Straftätern anbelangt ?

Ist es Zufall oder Absicht, dass diese Strafverschärfung praktisch zeitgleich mit der Prozesseröffnung gegen die U-Bahnschläger von München beschlossen wurde ?

Mit freundlichen Grüßen

Klaus Link

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Link,

das am 20. Juni 2008 vom Deutschen Bundestag verabschiedete Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht beruht auf einem Gesetzentwurf, den das Bundeskabinett bereits am 18. Juli 2007 und damit vor Beginn des hessischen Wahlkampfs beschlossen hatte. Es geht übrigens auf eine entsprechende Vereinbarung von CDU, CSU und SPD im Koalitionsvertrag zurück.

Im hessischen Wahlkampf hat die nachträgliche Sicherungsverwahrung von hochgefährlichen jungen Tätern nur am Rande eine Rolle gespielt, dort ging es hauptsächlich um den Umgang mit der Jugendkriminalität im Allgemeinen. Die von Herrn Koch erhobenen Forderungen halte ich nach wie vor nicht für geeignet, die allgemeine Sicherheit zu verbessern. Sie sind zum Teil überflüssig, etwa im Hinblick auf „Erziehungscamps“, denn diese sind schon nach geltendem Recht möglich; die Länder müssten sie nur einrichten (und finanzieren). Andere Forderungen wie die nach dem so genannte Warnschussarrest, der generellen Anwendung allgemeinen Strafrechts auf die Altersgruppe der 18- bis 20-Jährigen und die Erhöhung des Höchstmaßes der Jugendstrafe auf 15 Jahre werden aufgrund kriminologischer Befunde von den Experten des Jugendkriminalrechts nicht nur als unwirksam, sondern als eher kontraproduktiv angesehen, weil sie die Chancen auf künftige Straffreiheit unter Umständen sogar verschlechtern.

Deshalb bleibt es dabei, dass die wichtigste Aufgabe die Prävention – also die Bekämpfung der vielfältigen Ursachen von Kriminalität – ist. Im Übrigen gibt es Defizite vor allem bei der Umsetzung des Jugendstrafrechts in der Praxis, die aber nicht die Bundesgesetzgebung betreffen. Vielmehr fällt es in die Verantwortung der Länder, langen Verfahren und damit einer zu späten Reaktion des Staates auf Straftaten – nicht nur – Jugendlicher und Heranwachsender zu begegnen. Außerdem muss das differenzierte gesetzliche Instrumentarium des Jugendstrafrechts auch flächendeckend vorgehalten und konsequent genutzt werden. Das alles setzt ausreichende personelle, sachliche und finanzielle Ressourcen bei der Jugendhilfe, der Polizei, den Staatsanwaltschaften und den Gerichten voraus und hier besteht Handlungsbedarf für die Länder.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries