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Frage von Friedrich H. •

Frage an Brigitte Zypries von Friedrich H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Zypries,

Ihre Antwort an Frau Großmann vom 26. 5. 2008 empfinde finde ich als sehr ärgerlich.
Warum beantworten Sie nicht die beiden gestellten Fragen, sondern geben Ihrerseits Antworten auf unterstellte Behauptungen?

Frau Großmann hat nicht behauptet und nicht gefordert, die Staatsleistungen ersatzlos zu streichen. Warum unterstellen Sie solches in Ihrer Antwort?

Frau Großmann hat nicht behauptet und nicht gefordert, die Staatsleistungen auf einmal abzulösen? Warum unterstellen Sie dies in Ihrer Antwort?

Frau Großmann hat gefragt, ob Gesetze nur dann eingehalten werden müssen, wenn sie mit einer Sanktion bewehrt sind. Sie scheinen das zu bejahen. Worauf stützt sich Ihre Auffassung?

Frau Großmann hat vermutet, dass infolge der bald 90jährigen Weigerung, die Staatsleistungen abzulösen, den Kirchen bereits mehr an Geld zugeflossen ist, als diesen zusteht. Woher beziehen Sie Ihre Sicherheit, dass die Untätigkeit des Gesetzgebers der Staatskasse wirklich nicht geschadet habe? Gibt es bereits diesbezüglich (überschlägige) Berechnungen?

Zusätzlich ergibt sich aus Ihrer Antwort für mich eine neue Frage. Meines Wissens steht das Bundesrecht über dem Länderrecht. Wie kann es sein, dass ein klarer und unmissverständlicher Auftrag (in) der Reichsverfassung, später übernommen ins Grundgesetz, einfach unerledigt bleibt, nur weil die Bundesländer ihre Haushalte nicht belasten wollten?
Gibt es Ihres Wissens einen Vorgang von vergleichbarem Gewicht?

Mit freundlichen Grüßen

Friedrich Halfmann

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Halfmann,

meine Antwort an Frau Großmann enthielt keine Unterstellungen. www.abgeordnetenwatch.de ist ein offenes Forum; daher versuche ich, das Ja oder Nein zu einer Frage so zu erläutern, dass auch Dritte verstehen können, worum es geht. Frau Großmann meinte, es nütze den Kirchen und schade der Staatskasse, wenn die in Artikel 138 Abs. 1 WRV vorgesehene Ablösung der Staatsleistungen weiter hinausgeschoben werde. Wenn man berücksichtigt, dass die Ablösung nur gegen Entschädigung erfolgen darf, stimmt das aber nicht. Darum war es mir wichtig, auf die Notwendigkeit einer Entschädigung hinzuweisen.

Dass die Ablösung "auf einmal" erfolgt, ist das übliche Verfahren einer Ablösung. Wenn etwa jemand einen Kredit ablöst, geht man allgemein davon aus, dass die Kreditsumme insgesamt zurückgezahlt werden soll. Würde der Gesetzgeber die Ablösung über einen längeren Zeitraum strecken, ändert dies auch nichts daran, dass die Entschädigung angemessen bleiben muss. In solche Raten-Zahlungen wäre ein Zinsfaktor einzubauen.

Wirtschaftlich gesehen, sind doch bei der Ablösung der Staatsleistungen ähnliche Überlegungen anzustellen wie in vielen anderen Bereichen: Soll ich eine Wohnung kaufen (einmaliger großer Betrag) oder mieten (viele monatliche kleine Beträge)? Soll ich mir eine Lebensversicherung auszahlen lassen (ein großer Betrag) oder in eine Rente umwandeln (viele laufende kleinere Beträge)? Soll ich eine mir zustehende monatliche Schadensersatzleistung beibehalten (viele laufende kleinere Beträge) oder kapitalisieren (ein großer Betrag)? In solchen Fällen ist die Entscheidung für das eine oder das andere häufig schwer. Denn welche Lösung am Ende wirtschaftlich günstiger sein wird, weiß man vorher nicht.

In solcher Lage befinden sich offenbar seit Jahren auch die Länder. Sie sind die Betroffenen und sie selbst könnten über den Bundesrat jederzeit den Entwurf eines Bundes-Gesetzes zur Durchführung des Artikels 138 Abs. 1 WRV vorlegen. Das ist bisher nicht geschehen.

Dass noch kein Gesetz zu Artikel 138 Abs. 1 WRV ergangen ist, sieht die herrschende Staatsrechtslehre nicht als verfassungswidrig an. Selbstverständlich muss die Verfassung und müssen die Gesetze auch dort beachtet werden, wo sie keine Sanktion vorsehen. Im speziellen Fall des Artikel 138 Abs. 1 WRV wird das Fehlen einer Sanktion aber seit jeher als Anzeichen dafür gewertet, dass der Gesetzgeber in der Frage des Zeitpunkts ein politisches Ermessen habe.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries