Frage an Brigitte Zypries von Urs H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Zypries,
vom Deutschlandfunk werden Sie wie folgt wiedergegeben:
"Aber das Recht auf informationelle Selbstbestimmung heißt ja nur, dass Bürger darüber informiert werden müssen, wer was von ihnen speichert." (Interview mit Christian Schütte am 9.11.2007, veröffentlicht z.B. unter http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/693733/)
Laut meiner Unterlage lauten die ersten drei Sätze der 65. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 15.12.1983 wie folgt:
"1. Unter den Bedingungen der modernen Datenverarbeitung wird der Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten von dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG umfaßt. Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.
2. Einschränkungen dieses Rechts auf "informationelle Selbstbestimmung" sind nur im überwiegenden Allgemeininteresse zulässig. "
Nach meinem Verständnis ist Ihre Aussage daher falsch.
Sie wurden am 11.12.2007 von Herrn Rhode auf diesen Punkt angesprochen und antworteten am 12.12.2007 wie folgt:
"In diesem Interview habe ich auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht in seiner Ausprägung als Abwehrrecht hingewiesen."
Ihre Antwort steht für mich im klaren Widerspruch zu dem Wort "nur" im ursprünglichen Interview.
Liegt hier ein Denkfehler von mir vor oder wurden Sie vielleicht falsch wiedergegeben? Oder gibt es eine andere Erklärung für diesen - in meinen Augen - Widerspruch?
Andernfalls möchte ich gerne von Ihnen wissen wie Sie es mit Ihrem Amt als Bundesjustizministerin vereinbaren, öffentlich Grundrechte falsch (und zwar eingeschränkt) darzustellen.
Mit freundlichem Gruß,
Urs Henkelmann
Sehr geehrter Herr Henkelmann,
in dem Grundsatzurteil vom 15. Dezember 1983 setzt sich das Bundesverfassungsgericht ausführlich mit der Reichweite des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung auseinander. Es hat in seiner Entscheidung weder die Erhebung noch die Verwendung personenbezogener Daten grundsätzlich für unvereinbar mit der Würde des Menschen erklärt. Das Bundesverfassungsgericht hat neben allgemeinen Anforderungen an einen verfassungsgemäßen Umgang mit personenbezogenen Daten auch spezifische Erfordernisse für Datenerhebungen im Bereich der Statistik formuliert. Unter anderem leiten sich aus dem Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung staatliche Aufklärungs- und Belehrungspflichten gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern ab.
Es liegt in der Natur der Sache, dass es aufgrund der Zeit, die im Rahmen eines Interviews zur Verfügung steht, häufig nicht möglich ist, sämtliche Aspekte einer Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts in allen Facetten darzustellen. Deshalb kommt es immer auf den Schwerpunkt der Fragestellungan. In diesem Fall ging es darum, auf _eine_ Hauptkonsequenz der Entscheidung hinzuweisen; keineswegs konnten alle Aspekte berücksichtige werden.
Die Wahrung des informationellen Selbstbestimmungsrechts der Bürger ist und bleibt mir unverändert ein zentrales Anliegen. Dies mögen Sie zahlreichen Gesetzgebungsvorhaben entnehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries