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Brigitte Zypries
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Frage von Tanja G. •

Frage an Brigitte Zypries von Tanja G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Zypries,

beschädigt der Bundestag den Rechtsstaat, wenn er vorsätzlich einen Auftrag des Grundgesetzes unbeachtet läßt?

Müssen Gesetze nur dann beachtet werden, wenn sie eine Sanktion für Verstöße enthalten?

Es geht um die Ablösung der Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften.
Es heißt in Art. 138 der Weimarer Reichsverfassung (Bestandteil des Grundgesetzes): Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen werden durch die Länder abgelöst. Die Grundsätze hierfür stellt das Reich (der Bund) auf.

Auf diese Grundsätze wartet man seit rund 60 Jahren vergeblich. Dies nutzt den Kirchen und schadet der Staatskasse, also der Allgemeinheit.

Mit freundlichen Grüßen
Tanja Großmann

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Großmann,

der von Ihnen angesprochene Artikel 138 Abs. 1 der Weimarer Reichsverfassung wird auch in der öffentlichen Diskussion gelegentlich kritisch gesehen. In der Tat könnte man sich bei den Staatsleistungen an die Religionsgemeinschaften durchaus eine "Flurbereinigung" vorstellen.

Mit Ablösung meint Artikel 138 Abs. 1 WRV allerdings nicht, dass die Staatsleistungen ersatzlos gestrichen werden dürften. Vielmehr ist es allgemeine, vom Bundesverfassungsgericht bestätigte Auffassung, dass den betroffenen Religionsgemeinschaften eine Entschädigung zusteht. Diese zu regeln, wäre die wesentliche Aufgabe des vom Bund zu erlassenden Gesetzes.

Daher trifft es nicht zu, dass die Untätigkeit des Gesetzgebers der Staatskasse schade. Eine einmalige Entschädigung müsste ein Vielfaches der jetzigen Jahres-Zahlungen betragen, um angemessen zu sein. Damit wollten die Bundesländer ihre Haushalte in der Vergangenheit nicht belasten. Und eben hier liegt der Grund dafür, dass der Auftrag des Artikels 138 Abs. 1 WRV bisher unerfüllt geblieben ist. Nach Auffassung der Staatsrechtslehre ist das nicht verfassungswidrig. Artikel 138 Abs. 1 WRV enthält keine Frist und auch keine Sanktion; daher steht es im politischen Ermessen des Gesetzgebers, wann er das vorgesehene Ablösungsgesetz für opportun hält.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries