Frage an Brigitte Zypries von Michael S. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Zypries,
die Berufstätigkeit einer Ehefrau war in der Bundesrepublik noch nie verboten, sondern nur rund 10 Jahre vom Konsens und der Kooperationsbereitschaft der beiden Ehepartner abhängig. Im Jahr 1958 wurde dieses Letztentscheidungsrecht des Ehemannes ersatzlos gestrichen. Zuvor musste der Ehemann schriftlich bestätigen, dass er mit der Erwerbstätigkeit der Ehefrau einverstanden ist. Das war vor 50 Jahren.
Das Sorgerecht für den nichtehelichen Vater war bis vor 10 Jahren noch verboten. Erst seit 1998 ist es überhaupt möglich, dass der Vater die gleiche Verantwortung für die Kinder übernehmen kann, wie die Mutter. Heute haben wir ein Letztentscheidungsrecht der Kindesmutter, die schriftlich bestätigen muß, dass sie mit der Mitverantwortung des Vaters einverstanden ist.
Als ich vor 11 Jahren sog. Erziehungsurlaub machte, mußten dafür div. Bestätigungsschreiben der Kindesmutter vorliegen. Auf die gemeinsame Sorge hingegen warte ich bis heute, da sich die Mutter auf die Gesetzeslage beruft, welche ihr die begründungslose Verweigerung von Konsens und Kooperation ermöglicht. Dem nun jugendlichen Kind muss ich erklären, dass es Gleichberechtigung nur für die "bessere Hälfte" der Bevölkerung gibt.
In Bundesländern mit über 60% nichtehelichen Geburten wird heute die gemeinsame Elternverantwortung zum Auslaufmodell und die Letztentscheidung der Mutter über die Kinder zum Status Quo (mit teils tödlicher Konsequenz).
Da Sie teils umfangreiche Familienrechts-Reformen angestossen und umgesetzt haben, aber das Letztentscheidungsrecht der Kindesmutter vehement ausklammern, frage ich erneut:
Wie lange noch sollen Kinder auf gleiche Elternverantwortung, unabhängig von Status, Geschlecht und Wohnort ihrer Eltern verzichten?
Ist gleiche Elternverantwortung geschlechtsabhängig?
Planen Sie die Aufnahme beider Eltern ins Grundgesetz oder werden wir "demnächst" im Art. 6 GG zur Familie ausschließlich Kinder- und Mütterrechte vorfinden?
Mit freundlichen Grüßen
M. Stiefel
Sehr geehrter Herr Stiefel,
zu den Gründen, die für die geltende gesetzliche Regelung des Sorgerechts nicht miteinander verheirateter Eltern maßgeblich waren, habe ich mich bereits in meiner Antwort auf die Anfrage von Frau Sabine Meseke vom 29. Februar 2008 geäußert. Ausführungen zu der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Januar 2003 und zur Umsetzung des darin enthaltenen Prüfauftrags finden Sie in meinen Antworten auf Ihre eigene Anfrage vom 19. Januar 2008 und die Anfrage von Herrn Michael Grenzheuser vom 16. April 2008.
Nach Artikel 6 Absatz 2 des Grundgesetzes sind Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht, Eltern eines Kindes sind seine Mutter und sein Vater. In der bereits angesprochenen Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass derzeit keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass mit der Regelung des Sorgerechts nicht miteinander verheirateter Eltern dem Elternrecht des Vaters aus Artikel 6 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht ausreichend Rechnung getragen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries