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Frage von Michael B. •

Frage an Brigitte Zypries von Michael B. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Zypries,

in der Frage der Frau Brigitte Meisters vom 09.04.2008, ging es um die von Ihnen, in Ihrer Antwort erwähnten, in der Rechtsprechung angeblich entwickelten Kriterien.

Können Sie bitte diese Kriterien nennen?

Wenn Sie bereits entwickelt sind, warum werden sie nicht in Gesetzesform gegossen?

Das Markenzeichen eines Rechtsstaates ist Rechtssicherheit. Rechtssicherheit erreicht man nur durch klare Gesetze, die ein jeder Bürger dieses Landes verstehen und nachvollziehen kann.

In Echo-Online vom 07.04.2008, Artikel "Die deutsche Stimme in Brüssel", wurden Sie mit der Aussage zitiert, dass Ihrer Meinung nach "der Bürger die Gesetze nicht verstehen muss".

Für wen werden dann die Gesetze gemacht, Frau Zypries, wenn Richter, die Bürger, die eben diese Gesetze nicht verstehen, weil einfachste Kriterien der Rechtsprechung, die Gesetzesform nicht finden, "Im Namen des Volkes" verurteilt werden? Vielleicht "Im Namen der Anwaltschaft"?

Dieser Verdacht drängt sich einem jeden auf, wenn man berücksichtigt, dass Sie die Scheidung-light nicht eingeführt haben, weil die Lobby des Deutschen Juristinnenbundes dagegen war.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Baleanu

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Baleanu,

die Kriterien, auf welche die Gerichte zurückgreifen, um den unbestimmten Rechtsbegriff des Kindeswohls auszufüllen, hängen von der Art des jeweiligen Streitfalls ab. Bei Sorgerechtsstreitigkeiten greift das Familiengericht auf sogenannte Sorgekriterien wie das Förderungsprinzip, das Kontinuitätsprinzip sowie die Bindungen des Kindes und dessen Willen zurück. Bei Umgangsentscheidungen sind insbesondere die letzten beiden Kriterien relevant. Welche Kriterien wie zu berücksichtigen sind, ist zum einen eine Frage des konkreten Einzelfalls, hängt zum anderen aber auch von den neuesten Erkenntnissen der außerjuristischen Wissenschaften (z. B. der Pädagogik und der Psychologie) ab. Würden die jetzt entwickelten Kriterien abschließend gesetzlich festgeschrieben, würden die Gerichte ohne Not in ihren Möglichkeiten beschnitten, auch künftig fallspezifisch die beste Entscheidung zu treffen.

Wie allgemein verständlich Vorschriften abgefasst werden, richtet sich immer danach, wer sie später anwenden muss. Manche Normen oder ganze Gesetze betreffen den Bürger nicht unmittelbar, sondern sind für Fachleute mit juristischer Vorbildung bestimmt. Deshalb müssen nicht alle Vorschriften von allen Bürgern verstanden werden können. Wie jede andere Fachsprache ist auch die juristische Fachsprache manchmal technisch. Die kundigen Rechtsanwender wissen aber, mit dieser Technik umzugehen.

Die "Scheidung light" ohne anwaltliche Vertretung wurde im Übrigen nicht deshalb verworfen, weil die "Lobby des deutschen Juristinnenbundes" dagegen war, sondern weil die Rechts- und Familienpolitiker der großen Koalition sich für dieses Modell nicht gewinnen ließen.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries